Nach der Auswahl einer Play-Liste im Radio des Spyders, kommen wir nun zum eigentlichen Fahrtest. Zuerst geht es auf eine Autobahn. Ein guter Start um einfach geradeaus zu fahren, nur hat es bei der Autobahneinfahrt eine langgezogene Kurve bei der ich unüberlegt meinem Vordermann folge, bis sich im Scheitelpunkt der Kurve das Spurkontrollsystem – dessen Vorgehensweise ich total vergessen hatte – bemerkbar macht. Nach einer etwas starken Lenkbewegung und anschliessendem Bremsen bin ich wieder auf Normalkurs.
Bei steter Geschwindigkeit bemerke ich, dass die „Low-Boy“ Windschutzscheibe sehr wenig Schutz vor dem Wind bietet und in erster Linie für das Aussehen angebracht worden ist. Der Tempomat, eine weitere elektronische Hilfe, hat in dieser Art Fahrzeug seine Berechtigung und ist einfach in der Handhabung. Als wir zu der Ausfahrt mit der unvermeidlichen Kurve kommen, nehme ich diese viel vorsichtiger als bei der Einfahrt. Ich beginne zu verstehen wie die Sicherheitsvorkehrungen von Can-Am funktionieren. Bei den folgenden Kurven beginne ich die Fahrt zu geniessen.
Der Rotax-Dreizylinder mit 1'330 cm3 wurde erstmals in der letztjährigen F3 eingesetzt. Das Drehmoment konnte gegenüber dem Vorgängermodell um 20% erhöht werden und erreicht jetzt 130 Nm. Ab 2'500 U/Min zeigt der Motor schon kräftig Zug, interessant ist hingegen vor allem die Spanne zwischen 5'000 und 8'000 U/Min, in der der Motor mit Donnergrollen seine Bestwerte liefert und mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Selbstverständlich kann man von einem 435 kg schweren Fahrzeug keine sportliche Beschleunigung erwarten, trotzdem bringen wir es fertig, das Hinterrad beim etwas zu schnellen Anfahren an einer Ampel zum Glühen zu bringen.
Wie schon erwähnt, schaltet das halbautomatische Getriebe nur zurück. Beim Beschleunigen darf der Fahrer nicht vergessen die Gänge zu wechseln. Der automatische Teil des Getriebes ist hingegen wenig überzeugend. Es schafft zwar das Wegfahren, sozusagen aus dem Stand, aus einer Haarnadel. Für eine dynamische Fahrweise muss ich aber selbst Hand anlegen. Ich versuche es mit der Motorbremse, was aber wegen der hohen Bewegungsenergie mehr oder weniger keinen Effekt zeigt. Bleibt also nur noch das Bremsen mit den Brembo-Scheiben um die Geschwindigkeit herunterzubringen und den Geruch, den sie abgeben, zu geniessen (es scheint, dass ich beim Bremsen etwas übertrieben habe. Zu meiner Verteidigung, es war aber beim Abwärtsfahren).
Um mit dem F3 wirklich schnell zu fahren muss die Fahrlinie gut überlegt sein. Je weniger der Lenker bewegt wird, desto mehr kann die Geschwindigkeit beibehalten werden. Abhängig von der Stellung des Lenkers übernimmt die Spurkontrolle und bremst individuell eines oder mehrere der drei Räder. Damit wird vermieden, dass sie sich in den Kurven nicht systematisch auf der falschen Strassenseite befinden. Um diese Verzögerung zu umgehen, muss man mit Weitsicht fahren und Ausschau halten, wo und wann man auf der anderen Strassenseite Anlauf nehmen kann, um sich in der nächsten Kurve an den Innenrand tragen zu lassen.
Die Kurvenausfahrt ist eine Kunst für sich. Je schneller der Lenker gerade gestellt wird, desto weniger drosselt die Spurkontrolle den Motor. Befindet man sich einmal am Innenrand der Kurve, versucht man so gerade wie möglich herauszufahren, dreht den Gasgriff voll auf und lässt das Heck leicht ausbrechen. Auf einer seifigen Unterlage ist dies unweigerlich vergleichbar mit Holiday on Ice, vor allem wenn sich solche tollkühne Draufgänger wie unsere Testfahrergruppe auf einem Spyder versuchen. Bei diesem Rhythmus kann man sich kaum ausruhen. Ausserdem braucht es schnelle und präzise Reaktionen beim Gegensteuern.
Die Sitzstellung spielt beim schnellen Fahren auf einem Spyder ebenfalls eine wichtige Rolle. Füsse und Hände gut abgestützt, muss man sich mit der Kraft der Beine auf dem Sitz festklammern. Nur mit den Händen am Lenker, endet jede Kurvenausfahrt wie bei meinem oben beschriebenen ersten Versuch. Später hatte ich die Gelegenheit einen geraden Lenker (Typ: Drag Bar) zu testen. Sieht sicher gut aus, nur benötigt man viel mehr Kraft fürs Steuern. Der gerade Lenker ist meines Erachtens fürs normale Reisen nicht bequem und ungeeignet.
Zwischen den getesteten Modellen, dem F3 T und dem F3 Limited (den es auch als Version Special Series gibt, wie derjenige auf den gezeigten Fotos) gibt es kleine Unterschiede beim Fahren. Zum Beispiel sind die Fussplatten beim Limited nur bei längerem, eher langsamen Fahren bequem. Bei sportlicherem Rhythmus macht sich die gerade Fussstellung, die unweigerlich benötigt wird um das Bremspedal zu erreichen, negativ bemerkbar. Auf dem T-Modell, das fast zylindrische Fassrasten hat, kann man die Füsse abstützen, um sich mit Hilfe der Rückenlehne einzuklemmen. Bei dieser Stellung befindet sich das Bremspedal genau unter der Fusssohle.
Da jedes Fahrzeug mit einer Radioanlage ausgerüstet ist, hatten wir innert kürzester Zeit einen Wettbewerb, wer die „scheusslichste“ Musik über die Lautsprecher in die Natur herauslassen konnte. Bei mir war es Michel Balavoine, Le Chanteur, und Hits gesungen von schwedischen Sportgrössen. Mein französischer Kollege Axel, erreichte mit dem Lied „Big Bisou“ vom französischen Sänger Carlos, am meisten Stimmen. Ich erhielt einen Spezialpreis für ein unmögliches Lied von Rappern aus Quebec. Auf einem in Kanada produzierten Fahrzeug, eigentlich das Richtige.
Etwas ernsthafter kann ich die Testfahrten auf den zwei Modellen wie folgt zusammenfassen: Mit den Fussrasten des T-Modelles auf dem Limited Special Series wäre ich glücklicher. Selbstverständlich ist der Besitz eines Can-Am’s ein Spleen. Die wenigen Tage (oder auch Wochen) pro Jahr, in denen man ihn fahren kann, sind ein göttliches Vergnügen, unter der Voraussetzung, dass man wenig befahrene Strassen findet, da es gleich schwierig ist zu überholen, wie bei einem normalen Auto.
Für jemanden, der sich aus freien Stücken oder auch forciert vom Motorradfahren zurückziehen will oder muss, wäre der Can-Am eine Quelle des Vergnügens und eine Eskapade. Auch Touring-Reisende könnten ihr Gefallen finden: das Volumen des Stauraumes, das Unterhaltungssystem und der Tempomat wären Argumente dazu. Für mich bietet er alles was man benötigt um Spass zu haben. Jeder soll aber selbst entscheiden, ob er sich mit diesem Konzept anfreunden kann. Um sich selbst ein Urteil zu bilden, empfehle ich ihnen, sich die Zeit zu nehmen, einen eigenen Fahrversuch mit einem Can-Am zu machen.