
Als ich mich vor diesem neuen Modell befand, spürte ich eine eigenartige Gemütsregung. Im Vorfeld meiner Reise zur Testfahrt zweifelte ich, dass ich etwas Gutes an diesem Motorrad finden würde. Das Gefühl wurde noch verstärkt, nachdem ich einige „gestohlene“ Fotos im Netz gesehen hatte. Ausserdem entspricht sie ganz und gar nicht meinem persönlichen Stil. Nach gut gestoppten 32 Minuten – die Zeit die es brauchte um die Menschentraube um das Motorrad zu verscheuchen – begann ich meine vorgefasste Meinung langsam aber sicher zu ändern.
Obwohl das Motorrad sehr lange ist, hat man den Eindruck, es besteht nur aus einem riesigen Motor. Überall glänzt mattes Aluminium, was soweit geht, dass man den Rest fast vergisst. Die zwei enormen, tiefgezogenen Auspuffrohre führen auf beiden Motorseiten nach hinten und dominieren das Bild.
Schliesslich verweilt der Blick doch noch auf den hinteren Teil des Motorrades, das auf ein absolutes Minimum reduziert worden ist. Die feinen nach hinten führenden Stahlrohre verdecken die im Inneren versteckte Federung. Um zugelassen zu werden, wurde ein feiner Radschutz mit einer Nummernschildhalterung angebracht.
Der Sitz ist so „Vintage“, dass ich darüber einen ganzen Abschnitt benötige. Sehr fein gezogen, scheint er über dem Motor zu schweben. Die Position des Sitzes ist verstellbar; entweder rutscht er nach vorne, näher an den Benzintank oder nach hinten über das Rückrad. Als Option steht ein kastanienbrauner Ledersitz zur Verfügung, der mir ausgesprochen gut gefallen hat. Hast Du Lust auf eine Ausfahrt zu zweit? Geht nicht! Das Fahren des Bobbers ist eine egoistische Angelegenheit. Es gibt keine Möglichkeit einen Beifahrersitz anzubringen.
Der vordere Teil der Triumph sticht durch Eleganz heraus: runder Scheinwerfer, runde Blinker, der kleine neigungsverstellbare Tacho wie bei der T120 ebenfalls rund. Abgerundet wird das Ganze mit einem eher hohen Benzintank, der von seinen „Vintage“-Cousins beeinflusst worden ist. Ganz aus dem Gesamtbild fällt ein Hightech LED-Scheinwerfer, der als Sonderausrüstung nachträglich eingebaut werden kann.
Die Bonneville Bobber wird serienmässig mit einem breiten, geraden Lenker geliefert. Im Zubehörkatalog befinden sich alle möglichen (und unmöglichen) Varianten, die jedem Liebhaber von „Customizing“ das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Zum Beispiel entdeckte ich an der EICMA in Mailand einen „Ape-Hanger“, der ungefähr 25 cm über dem Federkopf gipfelt.
Der Bopper kann man ohne Übertreibung als Custom-Bike, das serienmässig hergestellt wird, bezeichnen. Die spezifische Ausrüstung ist schon bei der Bestellung erwünscht und gehört zum Konzept. Im Katalog finden sich zwei vordefinierte Inspirationspakete (Old School Bobber und Quarter Mile Bopper). Ich bin aber gespannt, was die Fantasie der Kunden und der spezialisierten Verkäufer daraus machen wird. Die Varianten werden über kurz oder lang im Netz zu sehen sein. Das Triumphprojekt „Hold on go Fast“ hat mich schon jetzt überzeugt und ich kann den Bobber ohne Umschweife als ästhetischen Erfolg bezeichnen.
Der Motor ist fast identisch mit demjenigen der T120. Kleinere Abweichungen hat es bei der Benzin- und Luftzufuhr, beim Auspuffanschluss und bei der Kartographie des Motors. Als Schlussfolgerung steht noch mehr Drehmoment zur Verfügung. Die 106 Nm und 75 PS genügen ausreichend fürs gemütliche Cruisen oder zum Beschleunigen bis zum Drehzahlbegrenzer. Der Motor besitzt eine elektronische Einspritzung, mit der Gemischzufuhr durch einen Vergaser.
Mit einem Dreh am Zündschlüssel, der hinter dem rechten Oberschenkel eingesteckt werden muss, erwecke ich den 1197 cm3 Paralell-Zweizylinder zum Leben. Die beiden Auspuffrohre geben den Eindruck direkt nach hinten zu führen, was aber nicht ganz der Fall ist. Ganz diskret wird der Ausstoss unter dem vorderen Teil des Motors, wo sich der Katalisator befindet, umgeleitet, bevor die Abgase zu den Auspuffrohren zurückgeführt werden. Mit dieser List erreichen die Briten, dass der Ausstoss und die Lärmentwicklung unter den vorgegebenen Normen bleiben.
Unter der offensichtlichen Hemdsärmlichkeit dieses Motorrades versteckt sich in Wirklichkeit eine hübsche Anzahl elektronischer Hilfen. Zum Beispiel kann im Stand die Antriebskontrolle angepasst oder auch ganz ausgeschaltet werden. Während der Fahrt kann die Motorkartographie von „Strasse“ auf „Regen“ und umgekehrt, gewechselt werden. Bei letzterer wird die Kraftentwicklung nicht gedrosselt, nur die Dossierung des Gasimpulses ist etwas „weicher“ eingestellt. Falls du aus dem Bopper eine Reisemaschine machen willst, kann als Zubehör, ein Tempomat eingebaut werden.
Die Vorstellung des Modelles wurde mit grossem Getöse – mit Musik einer Rockgruppe und einem Drag-Race in London aufgezogen. Für unsere Testfahrt rührte Triumph ebenfalls mit der grossen Kelle an: speziell für uns wurde das britische Wetter auf die Iberische Halbinsel verfrachtet, damit wir die Bobber auf nassen Strassen und bei grauem Himmel kennenlernen konnten.
Bei diesen Bedingungen war es unvermeidlich unsere Spazierfahrt im Regenmodus zu beginnen, was uns erlaubte, die ideale Sitzposition zu finden und nicht vom Verhalten des Motorrades bei nassen Verhältnissen überrascht zu werden. Meine erste Erkenntnis war, dass der 3. Gang im Stadtverkehr unnütz ist, während der 5. Und 6. Gang auf der Autobahn ausschliesslich zum Sparen von Benzin benötigt wird.