
Bei der Yamaha MT-Familie – MT steht für Master of Torque – handelt es sich um die Roadsterpalette mit dem speziellen Etwas der japanischen Motorradschmiede. Die verschiedenen MT-Modelle sind für Fahrten auf offenen Strassen zugeschnitten und versprechen ein maximales Fahrvergnügen. Dies ist auch unser Fazit nachdem wir verschiedene Modelle der MT-Familie in Versuchsfahrten testen konnten.
Ihr Aussehen zieht sofort die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Als wir vor einigen Jahren das Erscheinungsbild der BMW K1300R kritisierten, hätten wir nie gedacht, dass sich Yamaha davon beeinflussen lassen würde (welches wir nicht mit Sicherheit wissen) um die allgemeine Linie der MT zu schaffen. Bei genauerem Hinsehen realisierten wir, dass wir uns getäuscht hatten. Die MT-10 vermischt Stile, ob nun sinnlich oder radikal bestialisch, gibt es harmonische Kurven, insbesondere beim Benzintank und beim Heck, die unvermittelt unterbrochen werden und einen extremen Gegensatz zum übrigen Motorrad bilden. Um einen realistischen Eindruck zu bekommen und den Reiz dieses Konzeptes zu erahnen, muss man das Motorrad vor sich haben oder zumindest aussagekräftigere Fotos zur Verfügung haben.
Am meisten überraschen die zwei linsenförmigen LED-Scheinwerfer, die unter einer winkelförmigen Kunststofffrontplatte, die als Windabweiser dient, angebracht sind. Die markante Ballung der Masse auf die Frontpartie gefällt. Die mit Stolz gezeigten breiten, muskelbepackten Schultern werden durch die Lufteinlässe des Kühlers und den minimalen Schutzteilen des Motors zusätzlich verstärkt. Beim Heck entsteht der Eindruck, dass das Motorrad mit dem fein gezogenen, gutaussehenden Sitz endet. Dieser Eindruck wird durch den dicken 190iger Hinterreifen verstärkt.
Die im Katalog vorgeschlagenen Farbtöne entsprechen dem Zeitgeist. Die Wahl zwischen einem matten Schwarz, einem klaren Grau, das mit AcidMoto.ch-gelb (falls wir es wagen dürfen, es so zu nennen) gepaart worden ist und dem bekannten Yamaha Blau: Race Blu, hebt sich die Farbpalette von schon Gesehenem ab.
Man kann verzückt, geschockt oder skeptisch über das Erscheinungsbild dieser wahnsinnigen Yamaha MT-10 sein. Die Meinungen gehen weit auseinander. Was ist Ihre Meinung?
Nur bei sehr genauer Betrachtung könnte man den einen oder anderen Mangel entdecken. Die Verarbeitung und Endfertigung sind Ausgezeichnet, hingegen gibt es kleinere unschöne Details wie z. B. der auffällige Verschluss des Einfüllstutzens des Wasserkühlers oder auch die unschönen Fixierungspunkte der Bremsscheiben und einige Schrauben hier und da. Eigentlich schade für das Aushängeschild der MT-Familie!
Die MT-10 ist nicht nur zum Ansehen konzipiert! Da bei Yamaha entschieden worden ist, das Althergebrachte auf den Kopf zu stellen, wollte man keine halben Sachen machen. Als Beweis haben die Japaner den exklusiven Supersportmotor YZF-R1S in den wilden Roadster eingebaut. Andere Produzenten haben sich schon mit der Methode des Streetfigthers auseinandergesetzt, in dem sie ein Supersportmodel allen Verkleidungen entledigten. Bei Yamaha hingegen ist es, wenigstens über die letzten Jahre gesehen, eine Premiere. Wäre es die erfolgversprechendste Lösung, wäre dies schon seit langem bekannt. Genaugenommen hat Yamaha des Beste der RS1 mit den Werten der „Dark Side of Japan“-Philosophie, die bei der MT-Familie gebraucht wird, vereint. Aus dieser Verbindung entstand die uns vorgestellte MT-10.
Genauer gesagt wurden die überflüssigen Verkleidungen entfernt, die Einstellungen der Stossdämpfer angepasst, ein breiterer Lenker montiert, die Elemente des Sitzes zusammen mit der Heckpartie überdacht und die Motoreinstellungen der Strassentauglichkeit angepasst. Da die MT-10 natürlich für den Strassengebrauch gebaut wurde, musste die Kraftentwicklung, auf immer noch beachtliche Werte, gedrosselt werden. Dies ist im Grossen und Ganzen das Konzept, das von den Ingenieuren in Angriff genommen wurde.
Es ist offensichtlich, dass die MT-10 ein eigenständiges Motorrad, und nicht einfach eine entschlackte R1S ist. So sieht man z. B., dass der Schwingarm weiter vorne am Rahmen montiert wurde (was den Radstand etwas verkürzt), der Motor erhielt einige Anpassungen (ungefähr 40% der Bauelemente unterscheiden sich vom R1 Motor: Teile aus Stahl anstatt Titan, kleinere Lufteinlässe beim Motor, vergrösserte Luftbox, massivere Motorenteile). Diese Änderungen waren unabdingbar, da die R1 für den Rennbetrieb mit sehr hohen Drehzahlen ausgelegt ist, was für die MT-10 nicht zutrifft.
Die technischen Angaben klingen vielversprechend. Der bekannte Crossplane-Vierzylinder mit 998 cm3 entwickelt 160.4 PS bei 11'500 U/Min. und ein maximales Drehmoment von 111 Nm bei 9'000 U/Min. (unter den Fotos am Ende dieses Artikels finden sie die übergelagerten Diagramme der Kraftentwicklung der R1 und der MT-10). Ein Radstand von nur 1'400 mm und die steife Deltabox der R1 vermittelt einen Vorgeschmack ihrer Behändigkeit. Dabei haben wir noch nicht von der Federung mit einer umgekehrten Federgabel KYB (Durchmesser von 43 mm) und einer Hinterradfederung des gleichen Herstellers, gesprochen. Der ebenfalls von der R1 stammende lange Schwingarm ergibt ein perfektes Gleichgewicht zwischen der Motorisierung und der Stabilität. Bei den Bremsen zählt man auf ein vom Supersportler abgeleiteten System mit 320 mm Scheiben vorne, begleitet von einteiligen radialen Bremszangen mit vier Kolben, und einer 220 mm Scheibe hinten.