
Die Veränderungen sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich, das Konzept der KTM 1290 Duke R 2017 wird grundsätzlich nicht auf den Kopf gestellt, nein, sie entwickelt sich weiter. Von Vorne sieht man einen zweigeteilten LED Scheinwerfer, der den Betrachter wie eine riesige Heuschrecke mustert, bevor sie dir einen Moment der letzten Wonne gönnt... aber welcher Moment!
Bevor man von diesem neuen Merkmal ganz hypnotisiert wird, spürt man die unwiderstehliche Lust in den neu gestalteten Lenker zu greifen, der etwas weiter nach vorne geschoben, tiefer gesetzt und verbreitert worden ist. Das ganze erlaubt eine sportlichere Sitzposition und gibt eine bessere Kontrolle des Fahrverhaltens.
Bei der Schönen wird das Kunststoffkleid leicht angehoben, was uns den Blick auf das Fahrgestell bis unter den Beifahrersitz (oder die Metallabdeckung des Beifahrersitzes) erlaubt. Sehr sinnlich, nicht wahr?
Der Super Duke R wird auch die neueste zur Verfügung stehende Technologie verpasst. Insbesondere einen TFT-Farbbildschirm anstelle des althergebrachten Tachos. Ein ausserordentlicher Bildschirm, der mit der Fahrweise des Fahrers interagiert, den gewählten Fahrstil oder jede andere Einstellung anzeigt. Natürlich werden alle gewohnten Informationen ebenfalls auf dem Schirm angezeigt und dies auf eine Weise, die sehr gut ablesbar ist. Alle gewünschten Informationen sind über eine, mit Hintergrundbeleuchtung ausgestatte Konsole, auf der linken Seite des Lenkers abrufbar.
Nicht zu verachten ist das neuartige Schlüsselsystem. Der Zündschlüssel bleibt dabei in deiner Tasche, ob das Motorrad angelassen oder abgestellt werden soll. Das Öffnen des Benzintanks oder das Blockieren des Lenkers wird ebenfalls über die Fernsteuerung gehandhabt. Und dann gibt es noch den Geschwindigkeitsregler, der bei dieser 1290 R bis 200 km/h (!) geht und die elektronische Kontrolle des Reifendrucks, der von der Super Duke GT entlehnt worden ist.
Damit die brachiale Gewalt dieses Geschosses besser unter Kontrolle – ob das die Motorisierung oder die Strassenlage betrifft – gehalten werden kann, wurden der Bestie als zusätzliche Neuheit eine härter eingestellte WP-Federung eingebaut. Es ist selbstverständlich, dass der Roadster die Euro4-Norm erfüllt, zusätzlich wurde der Motor überarbeitet, um den CO2-Ausstoss und den Verbrauch zu senken. Dabei fanden die Entwickler aber auch zusätzlichen Drehmoment im mittleren Bereich. Welche Verschwendung: die bisherigen Werte waren schon an der oberen Grenze des Kontrollierbaren!
Zur Erinnerung: Mit der Einführung der Euro4-Norm wurden die Pferde etwas zurückgebunden. Durch die technische Entwicklung wurden Mal um Mal einige Pferdestärken zurückgewonnen. Man erreicht mit dieser Neuentwicklung, dank des verkürzten Schalldämpfers und der erhöhten Verdichtung, erneut 177 PS. Du kannst dir vorstellen, dass eine solche Horde von Gäulen, angetrieben vom V-Twin LC8, nicht so einfach zu beherrschen sind.
Ein neues, sportlicheres ABS von Bosch mit einem Schräglagensensor wurden den Innereien der Super Duke R beigefügt. Dazu gesellt sich ein neunfach einstellbares Anti-Schlupf System (mit einem optionalen Modus „Track“, der aber nicht verstellbar ist), für jede Stufe des Könnens des Fahrers anpassbar und verspricht zusätzliche Sicherheit. Suchst Du den Nervenkitzel und hast den zusätzlichen Track-Modus gewählt, wirst du insbesondere vom „Shifter“ (up&down) angenehm überrascht sein. Schade das der Shifter nicht zur Grundausstattung gehört, insbesondere da das System fest ins Schaltgetriebe eingebaut ist; der Track-Modus ist eine Software-Variante, die diese Funktion erst aktiviert. Dasselbe gilt für die KTM MY RIDE Applikation, die dir erlaubt dein Smartphone mit dem Motorrad zu verbinden um zu telefonieren oder um Musik zu hören. Eigentlich Schade, wenn man den herrlichen Klang des V-Twin nicht hören kann!
Endlich erreichen wir das Ende der Vorstellung dieser Diva und wir können uns auf den Sitz des Motorrades schwingen um eine erste Fahrt zu machen. Die Vorgaben der Veranstalter sind glasklar: „die hiesigen Behörden spassen nicht bei den bekannten Motorrad-Spässen, wie Wheelies oder ähnlichem... Also bitte Ruhe bewahren!“
Den Zündschlüssel gut in der Jackentasche untergebracht, drücke ich den Startknopf. Mit dem „Street-Modus beginnen wir mit unserer Fahrt. Als Alternative gibt es „Rain“ für glitschige Strassenverhältnisse und natürlich „Track“ für die Verwegenen. Der letztere Modus ist wirklich nur für die Eingeweihten und funktioniert nur, wenn der Fahrer seinen persönlichen Track-Modus eingestellt hat. Dabei wird das Anti-Schlupf System abgestellt, das Hinterrad wird nicht mehr vom ABS unterstützt und die neunfach verstellbare Antriebskontrolle (MTC), wie die gesamte Elektronik, kann ganz ausgeschaltet werden.
Bevor ich diesen magisch anziehenden Fahrmodus benutzen kann, muss ich mit der schönen Österreicherin durch den Stadtverkehr. Die Sitzposition ist wirklich etwas nach vorne gerückt. Keine Angst, die Handgelenke werden nicht über Mass beansprucht. Nach wenigen Metern findet man die vom Vorgängermodell bekannten Erfahrungswerte. Das ändert sich aber radikal, sobald der Gasgriff etwas stärker gedreht wird. Das Drehmoment setzt viel früher ein und man verflucht die hiesigen Behörden, die anscheinend die Wheelies nicht schätzt... dabei würde sich die KTM ja fast von selbst in die Höhe ziehen und dies in den unteren Gängen fast ohne Unterstützung der Kupplung. Die Anti-Schlupf Regelung arbeitet zur vollsten Zufriedenheit; man spürt bei der Kurvenausfahrt ein leichtes Anheben des Vorderrades, was aber sofort vom Regler korrigiert wird und der Reifen finden wieder den Bodenkontakt. Für mich ist das zwar frustrierend, aber es ist sicher die feinere Art um das Stadtgebiet zu durchqueren. Mein Fahrausweis ist mir doch wichtiger als der Nervenkitzel. Die Funktion des Shifters ist fantastisch, obwohl er bei tiefen Geschwindigkeiten etwas brutal schaltet. Mal sehen wie er bei sportlicheren Bedingungen anspricht.