
In dunkelster Nacht wurden wir von einem Bus am Ende eines Weges, wo sich die Natur ihre Rechte zurückerobert, ausgeladen. In dieser unwirtlichen Umgebung hat Yamaha die Motorradpresse zusammengerufen. Eine ehemals weltbekannte Konzerthalle in Mallorca, seit 25 Jahren verlassen, dient als Galerie für eine Vernissage der mechanischen Art. Als passionierter Stadterforscher, ist meine Neugier geweckt. Unter einem wenig Vertrauen erweckendem Dach, inmitten von improvisierten Kohlefeuern in alten Fässern, werden uns die Geheimnisse dieses Roadsters verraten.
Neben einer brandneuen MT-10 (in der SP Version noch ausgeprägter), sieht die bisherige MT-09 wirklich alt aus, sei es aus ästhetischen oder technischen Gründen. Es war unvermeidlich, dass der Roadster zuerst in die Werkstätte musste, bevor die Designer daran kam. Der Kern des CP3-Motors wurde fast nicht verändert, es handelt sich mehr oder weniger um den gleichen Liniendreizylinder mit 846 cm3, der 115 PS und 87.5 Nm Drehmoment entwickelt. Was neu ist fängt unmittelbar nach dem Motor an, bei der Kraftübertragung.
Die 2017-Modelle wurden mit einer unterstützten Antidribble-Kupplung ausgerüstet, die die Beschleunigung aus dem Stand verbessert und vor allem das Motorrad bei aggressivem Zurückschalten stabilisiert. Für das Betätigen des Kupplungshebels muss nicht mehr übermenschlicher Kraftaufwand betrieben werden. Ein Hebel, den du übrigens total vergessen kannst...
Was in der Zwischenzeit in diesem Segment der Roadster als Standard bezeichnet werden kann, wurde bei der neuen MT-09 ebenfalls eingeführt. Das Quick Shift System ist demnach serienmässig eingebaut und erlaubt das raufschalten per Knopfdruck. Beim Runterschalten bleibt alles beim Alten. Die eingebaute Elektronik wird vervollständigt mit dem QSS, das die Antriebskontrolle, das ABS und die Fahrmodi umfasst.
Der Bordcomputer erinnert sich, welche Einstellungen gewählt worden sind und stellt sie ein, sobald der Zündschlüssel gedreht wird. Einzige Ausnahme stellt die Antriebskontrolle dar, die auf Niveau 1 zurückgestellt wird, sofern sie desaktiviert worden ist.
Eine Schwachstelle des Vorgängermodelles, die Federgabel, musste zwangsläufig weiter entwickelt werden. Obwohl sie nicht von einem bekannten Zulieferer stammt, handelt es sich um eine total frei einstellbare Ausrüstung. Die Druckbelastung, der Rückstoss und die Vorspannung können einzeln, links und rechts, oder bei beiden gleichzeitig eingestellt werden. Beim hinteren Stossdämpfer wurden die Änderungsabweichungen reduziert, was ein strafferes Fahrverhalten vorgibt.
Jede Änderung eines Bestsellers gestaltet sich schwierig. Bei Yamaha führte die Neuauflage über das Zeichenbrett in der Designabteilung. Das neue Aussehen lehnt sich erneut dem „Dark Side of Japan“-Konzept an. Mit dem Federkopf der MT-10 glaubte man den exzentrischsten seiner Art gesehen zu haben, bei der MT-09 sind die Yamaha-Designer aber noch einen Schritt weiter gegangen.
Die Gesamtlinie wurde nach vorne geschoben, insbesondere wegen dem sich nach hinten verjüngenden Benzintank und der steiler gestellten Federgabel. Der zweigeteilte LED-Scheinwerfer braucht sehr wenig Platz und gibt dem Motorrad ein psychodelisches Aussehen. Mit 2 oder 4 Lichtquellen, beschreibt Yamaha die Beleuchtung treffend mit „Eyes of Darkness“. Die in der gleichen Farbe wie die Karosserie bemalten Positionslichter sind darunter etwas versteckt, was den Effekt noch zusätzlich verstärkt. Die Blinker wurden ebenfalls versetzt und befinden sich jetzt auf den Seiten bei den neuen Luftfilterabdeckungen.
Das ganze Heck wurde ebenfalls überarbeitet und wirkt kompakter. Die MT-09 ist jetzt 3 cm kürzer, aber auch 3 cm höher, was ihr eine veränderte Dynamik verleiht. Die Blinker am Heck wurden ohne zutun der Designer am Nummernschildhalter befestigt, was dem Ganzen noch zusätzlich ein anderes Aussehen verleiht.
Ausser der ausdrucksstarken LED-Optik, wurde die Nummernschildhalterung direkt auf das Hinterrad aufgesetzt und mit einer Verbindung direkt am Schwingarm befestigt. Die aluminiumgeschmiedete Verbindung verstärkt noch zusätzlich die Nähe zur Hyper Nakes Palette.
Leider waren die Strassen bei unserer Testfahrt nass und rutschig, weshalb wir mit der sanfteren B-Einstellung und einer beschränkten Motorleistung in den Tag starteten. Keine schlechte Wahl bei diesen Bedingungen. Die Antriebskontrolle beeinflusst zweifach: zuerst wird die Benzinzufuhr reduziert –Tropfenzähler statt Suppenkelle – andererseits unterbricht die Elektronik komplett, sofern man sich in einer hoffnungslosen Lage befindet.
Sobald man begriffen hat wie man schnell fahren kann ohne die zweite Ebene der Antriebskontrolle zu aktivieren, wird es ein Kinderspiel. Dabei bemerke ich auch wie gut die MT-09 am Boden haftet. Das Verhalten der Federung entspricht ebenfalls den Erwartungen. Für solche kurvenreichen Strecken, wie wir sie während der Testfahrt zurücklegen, wurde übrigens eine härtere Dämpfereinstellung vorgesehen.
Für meinen Geschmack ist die neu konzipierte Hinterradfederung zu hart geraten. Ich wurde bei einigen Unebenheiten des Belages aus dem Sitz gehoben. Leider kann man nur die Vorspannung anders einstellen, was aber in diesem Fall nicht zum Tragen kommt. Das Verhalten der Vordergabel ist da viel besser.
Die MT hat bei der Stabilität zugelegt. Die Gabel ruckt nicht, beim überstürzten starken Griff in die Bremsen. Das Loslassen des Lenkers in einer Kurve wird nicht gleich bestraft. Mit den zurückgelegten Kilometern kommt die Lust andere elektronische Einstellungen auszuprobieren. Ein Druck auf den rechten Knopf bringt die Grundeinstellung zurück. Anfangs rutsche ich unerlässlich mit dem Hinterrad herum, sobald der Strassenbelag aber etwas besser ist, wird die Fahrt bequemer als im B-Modus, bei dem man spürt, dass der Motor mit Verspätung anspricht.