Bei den ersten Radumdrehungen bin ich zurückhaltend, ja zaghaft. Ich befasse mich ja nicht jeden Tag mit einer Schwedin! Der erste Gedanke ist: „kinderleicht“. Obwohl erst in der Angewöhnungsphase, habe ich sofort den Eindruck die 701 schon lange zu kennen. Ist die Schöne also ein leichtes Mädchen? Ich werde schnell eines besseren belehrt.
Ich erhöhe den Rhythmus und stelle sofort fest, dass das ABS für meinen Geschmack, etwas zu stark eingreift. Bei Regen dürfte es sicher hilfreich sein, bei trockenem Gelände wirkt es fast „kastrierend“. Da ich dieses Motorrad das erste Mal bei den Acid’Days in die Hände bekam, erinnere ich mich nicht mehr, wie ich diese Schutzmassnahme loswerden kann. Der Anruf beim Genfer Husqvarna-Vertreter hilft mir nicht wirklich weiter, da er mir erklärt, dass die Abschaltung des ABS wegen der Euro4-Norm nur mit einem zusätzlichen Gehäuse, das etwas unter CHF 200 kostet, möglich ist.... Schei...! Eine Supermot’ mit ABS, das darf doch nicht wahr sein. Glücklicherweise habe ich einen Mechaniker-Kollegen, der mein Problem in Null-Komma-Nix regelt. Jetzt reicht das Drücken auf den dafür vorgesehenen Knopf während mehr als 5 Sekunden und das ABS ist abgeschaltet. Danke Vince!
Das erwähnte Gehäuse erlaubt allerdings nur das Abschalten des ABS auf dem Hinterrad.
Jetzt, nachdem ich das Problem gelöst habe, verwandle ich mich in den bereits erwähnten Teenager. Das Vorderrad hebt habt, das Hinterrad schleift durch die Kurven, ganz einfach nur Spass. Aber auch physisch sehr anstrengend. Nichts bleibt mehr übrig vom Eindruck des leichten Mädchens.
Von diesem Moment an verliere ich jede Zurückhaltung am Lenker der Husqvarna 701. Sie verleitet einfach jeden zur Gesetzlosigkeit. Ich spüre jede der gut verteilten 67 Pferdestärken. Ein kleiner Abstrich muss allerdings bei tiefen Drehzahlen gemacht werden. Im Stadtverkehr behauptet sich die kleine Schwedin überzeugend und macht genau was man von ihr verlangt. Der eng ausgelegte Lenkereinschlag kommt hier voll zur Geltung. Allerdings zeigt sich, dass das Fahren mit tiefen Drehzahlen ihr nicht liegt. Mit der ausgezeichneten hydraulischen Kupplung lässt sich mühelos rauf- und runterschalten, was auch nötig ist um ein Minimum an Komfort zu erreichen.
Kaum erblicke ich kurvenreiche Strassenabschnitte, ist die Mühe im Stadtverkehr vergessen. Der Teenager ist zurück. Eine flotte Beschleunigung und die 701 schnellt in die erste Kurve. Die Ride-by-Wire Technik ist Klasse und reagiert sofort. Ich schalte zwei Gänge hoch, lasse die Kupplung schleifen während ich gleichzeitig den Bremshebel betätige und zwei Dinge zeigen sich. Erstens: die Bremsen sind Klasse! Zweitens: Das Hinterrad driftet munter um die Kurve. Was für ein Glücksgefühl!
Bei der Kurvenausfahrt spüre ich das Greifen des Vorderrades ohne dass ich die Kupplung betätigen muss. Es reicht das Gewicht nach hinten zu verlagern und sie zieht sich von alleine nach oben. Es ist wichtig die Kupplung bis zum Anschlag zu ziehen, da das Getriebe etwas hart läuft. Nichts tragisches, aber ich hatte den einen oder anderen Leerpunkt, weil ich die Kupplung nicht richtig betätigte. Die Kurven folgen sich und die 701 schmeisst sich in die Schräglagen und richtet sich wieder auf wie keine Zweite. Sie schreit buchstäblich danach.
Die etwas schnellere Gangart lässt mich auch das ausgezeichnete Fahrwerk erleben. Absolute Stabilität in jeder Lage. Die WP-Elemente tun ihren Dienst zur vollsten Zufriedenheit. Obwohl der Sitz eher hart ausgelegt ist, kann ich mich nach Belieben bewegen. Normalerweise sitzt man auch selten über längere Zeit ohne sich zu bewegen auf der harten Unterlage. Bei „normaler“ Fahrweise verbraucht sie knappe 4.5 L/100 km!!! Das ergibt eine hübsche Reichweite ohne unnötigen Zwischenstopp an der Tankstelle. Lässt man aber den unverantwortlichen Teenager, der in mir schlummert, ans Steuer, steigt der Verbrauch auf stattliche 6.5 L/100 km...Ich versichere ihnen, dass der zusätzliche Benzinverbrauch mit weniger Abnützung des Vorderreifens aufgewogen wird. Husqvarna hat mit der 701 ein Spielzeug und Spassfahrzeug hingestellt, dem man fast nicht wiederstehen kann. Beim Spiel mit der Kupplung und des Gasgriffes steigt man jedes Mal in die Höhe. Ich weiss es ist unnütz, aber ganz einfach genial!
Machen sie eine Testfahrt mit der Husqvarna 701. Aber Vorsicht: in jedem Wesen versteckt sich ein unverantwortlicher Teenager, der beim ersten Kontakt die Kontrolle übernimmt. Als Folge davon könnten Sie in ihrer Garage enden.