
Bei einer KTM ist es wirklich sehr einfach seinen Ernst zu verlieren. Die Österreicher besitzen eine lange Geschichte über mehr als 70 Jahre. Heute sind sie vor allem für die Produktion von orangen, schnellen Geländemotorrädern bekannt. Im Jahre 1994 wurde das gleiche Prinzip auf ein Strassenmodell umgemünzt und es erstand die Duke. Dies war der Zeitpunkt als alles aus dem Ruder lief...
Heute, 22 Jahre später, stehe ich vor der neuesten Ausführung der Duke, die 690R. In der Vergangenheit war sie eine Mischung zwischen Supermot’ und Roadster, heute ist das kleine Schmuckstück ein „Naked Bike“, mit einem Einzylindermotor, der die Wenigkeit von 75 PS entwickelt. Bim! Auch wenn die Zahl für sich spricht, gibt KTM mit der überarbeiteten LC4-Auslegung für die Verflachung der Beschleunigungskurve noch einen drauf. Die Beschleunigung geht jetzt noch weiter und ist vor allem leichter kontrollierbar.
Um weniger gewandte Fahrer zu überzeugen, besitzt die Duke drei verschiedene Einspritzauslegungen, ein ABS und eine parametrierbare Traktionskontrolle. Der Akrapovic-Auspuff der R-Version spart etwas Gewicht und fügt ein paar Dezibel hinzu. Die neu entwickelte Lenkerstange über der Vorderradgabel und die einstellbaren Federbeine geben dem Fahrwerk eine sportlichere Ausrichtung.
Die Einstellknöpfe am Lenker stammen von der Superduke 1290 R, der ausgezeichnete TFT-Bildschirm in Farbe – ebenfalls von der Superduke – ersetzt das „Anzeigebrett“ des Vorgängermodelles. Man hat den Eindruck, dass einfach ein Samsung Galaxy oberhalb des Scheinwerfers angebracht worden ist und basta. Die zur Verfügung stehenden Informationen und die Art wie diese gezeigt werden, wiegen den kleinen Fehlgriff bei weitem auf.
Wenn man von den leuchtend orangen Flächen und dem radikalen Design des Motors nicht geblendet wird, entdeckt man unglücklicherweise einige Einzelheiten, die nicht dem Standard dieses Segments entsprechen. Die Aufkleber (Ablösung), Kunststoffteile (schon vom Gebrauch gezeichnet und dies bei erst 500 km auf dem Tacho), Kabelklemmen (überall verteilt über das Fahrzeug) geben kein gutes Bild ab. Wenn man 11'790 Franken für das gute Stück ausgeben soll, darf man etwas mehr Sorgfalt bei der Endverarbeitung dieses grossen Spielzeugs erwarten. Und es handelt sich bei der KTM 690 Duke R wirklich um ein Spielzeug!
Gleich nach dem Starten des Motors werden, mit dem auf der linken Seite angebrachten Schalter, der Sportmodus eingestellt, die Traktionskontrolle abgeschaltet und das ABS auf Modus „Supermoto“ gesetzt. Damit wirkt die Bremskraft nur auf dem Vorderrad. Warum nur? In meiner Kindheit, als ich mit Playmobil und meinem Action Man gespielt habe, blieben meine Zweiräder nur selten auf zwei Rädern. Bei der Duke R ist es genau das gleiche!
Sobald die elektronischen Fahrhilfen ausgeschaltet sind, nehme ich die kleinste Gelegenheit wahr um den Hanswurst zu spielen. Das Foto-Shooting, das im Duo mit der von Yann getesteten Honda-MSX stattfand, wandelte sich – unter den staunenden Augen der Spaziergänger – schnell in einen Stunt-Wettbewerb.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir dieses Motorrad trotz allem ernsthaft getestet haben. Die Reaktion auf den Dreh am Gasgriff ist ausgezeichnet, hingegen kann ich nicht behaupten, dass man eine ausgeglichene Kraftentwicklung über den Drehzahlbereich spürt. Dazu ist der Charakter der KTM einfach zu überbordend. Unter 3'000 U/Min. klopft der Motor und ist bockig, zwischen 4'000 und 8'000 wird man dafür aber entschädigt. Der Drehzahlanzeiger des österreichischen Spielzeugs hat Mühe mitzuhalten. Der Motor treibt mich in die nächsten Eseleien, begleitet von Freudenausbrüchen aller Art. Und wenn ich das Motorrad nicht zurückgeben müsste, usw.