Zurück zu den Kurven. Die Geister sind nun wach und die Mundwinkel zeigen vor Freude in die Höhe.
Beim Rauf- und Runterschalten bleiben wir bald im dritten Gang hängen, da dieser uns bei 90 km/h erlaubt den Drehmoment bei tiefen Drehzahlen voll zu nutzen und genügend Motorbremskraft zu entwickeln um das Tempo zu verlangsamen. Bei offener Klappe singt der CP4 in den höchsten Tönen, fehlt nur noch die Harfe und er könnte es – wenigstens für Motorradfahrer - mit jeder Symphonie aufnehmen. In der Zwischenzeit habe ich auf den Fahrmodus B gewechselt, der eine sofortige Reaktion beim Beschleunigen auslöst. Die ruckartige Kraftentwicklung bei jedem Impuls des Gasgriffes ist einfach zu brutal und dies unabhängig von der Drehzahl. Eine kleine Unebenheit der Strasse ist ausreichend um das Motorrad wie ein Katapult nach vorne zu schleudern. Schnell wechsle ich auf den Modus A, der den idealen Kompromiss zwischen Beschleunigungskraft und Komfort bietet.
Kurz vor der ersten Kurveneinfahrt betätige ich die Bremse und erwarte eine Bremskraft, die in etwa derjenigen der R1 entspricht. Zu meiner Überraschung fehlt der gewisse Biss und die Bremskraft entwickelt sich etwas verzögert progressiv. Fahrer, die an Supersport-Motorräder mit Brembobremsen, die schon bei minimalster Betätigung voll zugreifen, gewöhnt sind, sollten sich vorsehen. Mit zwei Fingern und kräftigem Zupacken, wird das Motorrad genügend abgebremst. Diese Art Bremsen lassen sich hingegen leichter dosieren und man ist bei unvermittelter Bremsung nicht zu heftig zu Gange.
Bei einer Vollbremsung wird die Vordergabel kaum zusammengedrückt, das Gefühl des Abtauchens ist kaum spürbar und die Spur wird korrekt gehalten. Das Hinterrad hat hingegen die Veranlagung sich vom Asphalt zu verabschieden.
Um in die Kurven zu stechen, genügt es den Lenker zu drücken, das Motorrad folgt dem Blick des Fahrers von alleine. Die originalmontierten Bridgestone S20 bieten einen guten Kompromiss zwischen Stabilität und Behändigkeit. Der MT-10 fehlt hingegen die chirurgische Präzision gewisser Konkurrenzprodukte. Bei hoher Geschwindigkeit in langgezogenen Kurven und unebenen Strassenverhältnissen wirkt die Federung unerschütterlich.
Sobald man den Scheitelpunkt der Kurve erreicht hat und voll beschleunigt,
muss das Gewicht voll auf die Fussrasten oder bessern noch der Oberkörper nach innen gelegt werden, um nicht von der Ideallinie abzukommen. Die MT-10 hat leider die Tendenz das Vorderrad nach aussen zu schieben. Ob dies wohl mit dem Profil des Bridgestone-Pneus S20 des Hinterrades zu tun hat? Unter den anwesenden Motorradjournalisten waren wir uns einig, dass ein V-Profil , das man bei Metzeler, Michelin und Pirelli Prokukten findet, für die MT-10 vorzuziehen wäre. Ein solches Profil würde gleichzeitig die Behändigkeit und Nervosität des Motorrades erhöhen und das ausgezeichnete Fahrwerk und Chassis aufwerten.
Ausser in den zwei tiefsten Gängen und bei extremer Schräglage musste die Antriebskontrolle (2-stuffig) eingreifen, was beweist, dass das Motorrad richtig Tariert ist (51% der Masse befinden sich auf dem Vorderrad) und dass der Motor keine Unregelmässigkeiten, insbesondere bei der Kurve des Drehmoments, hat.
Bei unserem Testversuch war der Verbrauch zwischen 7.5 und 8 Liter für 100 Kilometer. Allerdings war der Fahrrhythmus, verbunden mit markanten Beschleunigungen, sehr hoch. Bei normaler Fahrt und Einhalten der Geschwindigkeitslimiten sollte der Verbrauch nicht viel über 6 L/100km liegen. Beim Hinterrad werden sie wahrscheinlich schon bei ungefähr 2'000 Kilometern zu einem Wechsel gezwungen sein, was nicht verwunderlich ist, da es sich um ein Supersport-Model handelt. Vergessen sie nicht, dass der CP4 unheimlich viel Drehmoment besitzt, was unweigerlich die Gummiabnutzung erhöht.
Mit ihrem neuen Model der MT-Reihe drängt sich Yamaha in die vordersten Reihen des Segmentes, zu dem die MT-10 gehört – der „Hyper-Naked-Bikes“. Der Motor ist ausgerüstet mit mehr als genug Leistung und das zur Verfügung stehenden Fahrwerk ist leicht zu fahren und von der Mehrheit der Motorradfahrer beherrschbar. Daneben kann die MT-10 auch mit dem Preis von CHF 14'680 überzeugen.
Dieser Yamaha kommt das Beste der R1 und alle Vorteile einer Roadster, kombiniert mit der „Dark Side of Japan“-Philosophie, zu Gute. Schon nach wenigen Radumdrehungen hat mich das Konzept überzeugt, weshalb ich den Kauf dieses Motorrades, für jeden der den speziellen Kick sucht, nur empfehlen kann.
Die MT-10 ist in der Reihe der empfehlenswertesten Motorräder dieses Jahres und verlangt danach, ausprobiert zu werden.