Der Fahrersitz erwärmt sich überdurchschnittlich stark, was bei einer Aussentemperatur von 13-18°C kein Problem darstellt, hingegen bei 35°C im Sommer dürfte dies anderes sein.
Der stattliche 5 Zoll TFT Farbbildschirm ist sehr ansprechend und gut ablesbar. Er zeigt alle Informationen, die man bei einem Motorrad dieser Klasse erwarten kann. Das Navigieren in den verschiedenen Menüs ist einfach und logisch, was auch für den Tempomaten gilt.
Obwohl es sich bei der Multistrada 1200 Enduro um ein Touring Motorrad handelt, gleicht der Motor einem charaktervollen Rennpferd. Für einen potenziellen Kunden könnte der Testastretta-Motor der ausschlaggebende Faktor für einen Kaufentscheid sein.
Jeder der vier Fahrmodi besitzt seine eigenen charakteristischen Merkmale. Bei Sport und Touring sollte man vermeiden, mit weniger als 3000 U/Min zu fahren, da sich ein unangenehmes Klopfen bemerkbar macht. Ich empfehle das Fahren mit mehr als 3’500-4'000 U/Min. um in einem angenehmen Bereich zu sein. Sofern man dies respektiert, macht es sehr viel Spass, den Gashebel aufzudrehen und sich vom tiefen Bass und dem bestialischen L-förmigen Zweizylinder durch die Kurven schaukeln zu lassen.
Bei Urban und Enduro (beide begrenzen die Leistung auf 100 PS) verwandelt sich das Fahrverhalten bei tiefer Drehzahl grundlegend, es wird viel geschmeidiger und weniger aggressiv. Für eine Fahrt in der Stadt oder für einen gemütlichen Ausflug, ist der Modus Urban demjenigen von Touring vorzuziehen. Das Wechseln von einem Modus in den anderen erfolgt innerhalb weniger Sekunden und dies auch ohne anzuhalten.
Die Multistrada 1200 Enduro wurde von Ducati mit einer Parkbremse (Vehicle Hold Control) ausgestattet. Man drückt im Stand stark auf den Hebel der Vorderbremse, was die Hinterradbremse während neun Sekunden blockiert; damit erleichtert sich, zum Beispiel, das Anfahren am Berg. Ich habe ein ähnliches System bei der Triumph Tiger Explorer 1200 testen können und ziehe deren Lösung vor, die die Blockierung der Bremse belässt, bis der Fahrer sich durch das Berühren der Kupplung, des Gashebels oder nochmals stark auf die Bremse drückt. Andere Konkurrenten werden sicher in naher Zukunft ein ähnliches System bei ihren Motorrädern anbieten.
Ducati hat keine Anstrengung gescheut, uns davon zu überzeugen, dass die Multistrada Endura 1200 jeden noch so abgelegenen Ort auf dieser Erde erreichen kann. Bevor sie auf den Markt kam, wurde sie über 150'000 km auf der Strasse und 40'000 km auf einer Rundstrecke gefahren. Dazu kamen 10'000 km im Gelände um sicherzustellen , dass sie auf alle Herausforderungen eine Antwort hat. Wunderschöne Werbevideos mit Andrea Rossi am Steuer, dem Verantwortlichen der GS Academy, lassen uns davon träumen, was mit einem 250 kg schweren Motorrad möglich ist, sofern man dieses beherrscht.
Nach einem schmackhaften und reichlichen Mittagessen nehmen wir die 70 km lange Geländestrecke in Angriff. Dieses Mal wählen wir den Fahrmodus Enduro auf dem Bildschirm. Wie schon erwähnt, wird die Leistung auf 100 PS begrenzt und die Einstellungen der Stossdämpfer, des ABS und der Antriebskontrolle, werden Geländefahrten angepasst. Das ABS wirkt nicht mehr auf die Hinterradbremse, was das Blockieren des Rades erlaubt. Die Vorderradbremse wird weiterhin vom ABS unterstützt, allerdings ohne aufdringlich zu sein. Alle vordefinierten Parameter können selbstverständlich individuell eingestellt und angepasst oder komplett desaktviert werden.
Trotz des hohen Fahrgewichts von mehr als 250 kg lässt sich die Multistrada 1200 Enduro im Gelände leicht handhaben. Die Pirelli Scorpion Rally Bereifung weckt Vertrauen. Beim stehend Fahren hilft der um 55 mm überhöhte Lenker, lange Strecken zurückzulegen, ohne zu ermüden. Der Benzintank beeinträchtigt
weder sitzend noch stehend den Fahrkomfort.
Unser Instruktor führt uns auf Waldwegen und auch im offenen Gelände, zum Teil auf Kiesuntergrund, auf einen Hügel. Viele enge Haarnadelkurven reihen sich aneinander und führen auf den höchsten Punkt; in diesem Gelände muss sich der Fahrer des Gewichts dieser Bestie bewusst sein.
Die Motoreinstellung im Enduro Modus erlaubt eine geschmeidige Fahrt im Gelände, meistens fährt man im zweiten Gang. Mit Hilfe der Kupplung schafft man die Haarnadeln ohne weiteres mit 10 km/h, ohne dass der Zweizylinder zu klopfen beginnt. Sobald sich das Gelände öffnet, erlaube ich mir, den Gashahn zu öffnen und das Hinterrad schlittern zu lassen. Einfach fantastisch!
Mit einer Grösse von 1.82 m habe ich keine Mühe mit der Sitzhöhe von 870 mm; klar, die Multistrada Enduro ist ein „hohes“ Motorrad. Als Option sind auch Sitzhöhen von 850 mm und 890 mm erhältlich.
Mir hat vor allem das Fahren im Gelände Spass gemacht und ich muss zugeben, dass ich von der Leichtgängigkeit der Multistrada Enduro überrascht war. In meinen Augen verdient sie ihren Namen voll uns ganz.
Die verschiedenen Optionen
Die Standardausrüstung der Multistrada 1200 Enduro (Grundpreis CHF 22'000) beinhaltet die ganze Armada an elektronischen Fahrhilfen und alle im Artikel beschriebenen Einzelheiten.
Um dem Motorrad einen persönlichen Anstrich zu verleihen, stehen vier Optionspakete zur Auswahl:
Dank der technischen Fortschritte und Materialverbesserungen konnten die Serviceintervalle für einen kleinen Service auf 15'000 km (oder 1 Jahr) und für das Ersetzen der Antriebsstranges und dem Nachstellen der Ventile auf 30'000 km (oder 5 Jahre) ausgedehnt werden. Damit befindet sich nun Ducati auf gleicher Höhe wie ihre Konkurrenten.
Mit der Multistrada 1200 Enduro tritt Ducati dem exklusiven Kreis der Maxi-Trails bei und vervollständigt damit ihr schon grosses Angebot. Was für sie spricht, ist der Touch von italienische Sportlichkeit und Klasse. Sie ist nicht nur hübsch anzusehen und leistungsfähig, nein sie beweist auch, dass sie ihren Namen zu Recht trägt. Sie fühlt sich sowohl auf der Strasse als auch im Gelände wohl und wird sie weit bringen.