Die auf dem Markt erhältlichen Neo-Retro Bikes sollten, meiner Ansicht nach, nicht durch irgendwelche Zusatzausrüstungen verschandelt werden. Die einzige Veränderung, die ich vornehmen würde, betrifft die übergrossen Blinker, die ich durch kleinere ersetzen würde. Bei Bedarf kann ein Track Racer Kit eingebaut werden, dies drängt sich aber nicht auf. Beim R-Modell, ausgerüstet mit einer wunderschönen goldenen Federgabel und einem schönen Sitzabschluss, erübrigt sich diese Frage.
Der längliche Benzintank mit seiner Aluabdeckung und die am Ende des Lenkers fixierten Rückspiegel verkörpern die Thruxton, sind ihr Markenzeichen. Dazu gesellen sich die Halblenker, die die typische Sitzhaltung vorgeben.
Die Thruxton wird als Einsitzer oder als Zweisitzer mit zusätzlichen Fussrasten für den Beifahrer geliefert. Weiter ermöglichen über 160 Zusatzteile es, sie jedem individuellen Geschmack anzupassen. Zwei komplette Kits stehen ebenfalls zur Verfügung, die die Inspiration anregen.
Das erste Kit verwandelt sie in einen Café Racer, was alle diejenigen begeistern dürfte, welche eine Kopie des Vorreitermodells ihr Eigen nennen wollen. Es besteht aus einer kleinen Windschutzscheibe, tropfenförmigen LED-Blinkern, zwei Vance & Hines Schalldämpfern und einem Lederband unterhalb des Benzintanks.
Das zweite Kit nennt sich Track Racer und ist mit einem Federgabelkopf der Rennmaschinen der 1970iger Jahre ausgerüstet. Dem R-Modell verleiht dieses Kit, zusammen mit den vergoldeten Federgabeln und den riesigen Brembo-Bremszangen, ein unglaubliches Aussehen. Die LED-Blinker und die Schalldämpfer vervollständigen dieses Packet.
Im Prinzip existiert ein drittes Kit mit einem neuen Antriebsstrang mit hochverdichteter Nockenwelle und Zylinderkolben. Dieses Packet wird mit einem Karbonschalldämpfer mit entfernbaren Blenden ausgerüstet; unglücklicherweise sind diese Teile noch nicht zertifiziert. Weitere Informationen werden voraussichtlich im Sommer kommuniziert.
Im Gegensatz zum Vorgängermodell ist die Mechanik der Thruxton nicht identisch mit derjenigen des am ehesten vergleichbaren Bonneville-Modells (in diesem Fall der T120). Der Motor der Thruxton R hat nicht weniger als 97 PS bei 6'750 U/Min., vor allem hat sie 112 Nm bei 4'950 U/Min, was einer Steigerung von nicht weniger als 62 % gegenüber der Generation mit 865 cm3 entspricht. Mit 17 PS mehr und 20 kg weniger macht dies einen enormen Unterschied. Ein kleines Detail zum Schluss: das ABS und die Antriebskontrolle können bei der Thruxton R ausgeschaltet werden.
Der Motor der Thruxton verhält sich komplett anders als derjenige der T120. Sie besitzt ein kürzer übersetztes 6-Gang Getriebe, welches das Motorrad total verwandelt. Dieses Modell ist leistungsorientiert, es bevorzugt Leistung vor Drehmoment. Um eine dynamischere Fahrweise zu erlangen, wurde die Spanne, bis der Drehzahlbegrenzer eingreift, um 500 U/Min erhöht. Die Leistung und das Drehmoment sind bei hochtourigem Fahren hingegen weniger ausgeprägt.
Dieses Motorrad ist unglaublich viel lebhafter als die Bonneville. Mit der Thruxton kann und will man die sportliche Fahrweise ausleben. Obwohl die Geometrie der beiden Thruxton-Modelle einzeln überdacht wurde, kamen die Ingenieure zwei Mal zum fast gleichen Ergebnis. Die vorgeschobene Sitzposition, wie auf einer Rennmaschine, ist angenehmer für die Handgelenke. Der hintere Rohrschwingarm wurde durch ein Aluminiumteil ersetzt und trägt viel zu einer beruhigenden Stabilität bei.
Mit dem R-Modell kann man sich ein sehr verzögertes Bremsen erlauben, die zur Verfügung stehende Bremskraft scheint unbegrenzt. In den schnellen Kurvenkombinationen wird die Bremse zum geschliffenen Schwert und wirkt wie ein Gewehrgeschoss. Man kann sie richtiggehend in eine Kurve werfen, sie wird die Ausfahrt von alleine wieder finden. Bereits bei 2'000 U/Min ist sie bereit, abzugehen.
Die verkürzte Übersetzung ist eine nicht zu vernachlässigende Trumpfkarte, besonders auf kurvenreichen Strassen. Ausgangs einer Haarnadelkurve, bei fast Stillstand im zweiten Gang, zeigt der 1200 cm3 Motor welche Arbeit die Entwickler aus Hinckley beim Drehmoment geleistet haben. Je länger ich fahre desto ausgeprägter wird mein Lächeln unter dem Helm. Schwärmerei beiseite, wegen des fehlenden Windschutzes ist das Fahren auf Autobahnen nicht sehr zu empfehlen. Nach der „langen“ Fahrt kommt der Sitz auch an seine Grenzen; die wiederholt auftretenden Schlaglöcher und anderen Unebenheiten verlangten ihren Tribut an meinem Gesäss.
Der Motor ist einfach phänomenal und hat alles was es braucht, um mit gleichmotorigen Konkurrenten wie der BMW R Nine T den Wettstreit aufzunehmen. Was der deutschen Konkurrentin fehlt, sind die Halblenker, der Charme eines gepflegten Retro-Aussehens und der knatternde Klang des Auspuffs.
Die Philosophie der Bonneville T120 und der Thruxton könnte nicht unterschiedlicher sein. Das Black-Modell der Ersten gefällt durch ihren Zeitgeist, ist im täglichen oder gelegentlichen Gebrauch leicht zu fahren. Die authentische T120 mit den handbemalten Linien ist eher für den Geniesser, die Maschine macht auf der Strasse wie auch als Ausstellungsobjekt eine gute Figur. Für einen Ausflug würde ich die Bonneville, mit dem höheren Komfort, der Thruxton vorziehen.
Die Thruxton gefällt eher einem Publikum, das sich mit modernen Motorrädern
langweilt und den Weg zurück zu den Wurzeln sucht. Auch nach dem Einbau von neuer Technologie verleiht sie unbegrenzten Fahrspass. Ich frage mich, ob es sich nicht um das vernünftigste Sportmotorrad für die Strasse handelt? Ich antworte mit einem entschiedenen ja. Ob sie im 70iger Look daherkommt oder nicht, ist nicht so wichtig, da es nichts an der guten Erfahrung beim Cruisen ändert.
Wenn man sich von der grosse Masse abheben möchte, sollte man nicht das R- sondern das Basismodell kaufen. Auf zehn ausgelieferte Rs kommen nur zwei des Basismodells. Liebhaber von speziellen, einzigartigen und individuell anpassbaren Motorrädern, sie haben die Qual der Wahl!