Nach einer Stunde im Stadtverkehr von Benidorm beginnen wir uns zu langweilen. Eine erstaunliche Stadt, leider nicht im positiven Sinn. Riesige, trostlose Gebäude, Karaoke Bars im Wechsel mit offensichtlich skurrilen Themenbars. Die vor allem älteren Bewohner verstopfen mit ihren zweisitzigen (!) Rollatoren die Gehsteige und behindern nicht selten den Verkehr. Ich und meine Kollegen fühlten uns nicht gerade wohl in diesem Getümmel, umso mehr freuen wir uns auf die kleinen, kurvenreichen Bergstrassen jenseits des Stadtgebiets.
Nun geht’s ans Fotografieren. Einzeln greifen wir die Haarnadelkurven an und trotz staubigem und rutschigem Belag amüsieren wir uns königlich auf der kleinen MT. Das Vorderrad lässt sich mit einer verblüffenden Leichtigkeit handhaben und dies trotz mangelhafteren Rückmeldungen an den Fahrer, im Vergleich zur R3. Man darf aber nicht zu viel von ihr verlangen, sie ist und bleibt das Nesthäkchen der Familie.
Das beste Resultat holt man aus dem Motor, wenn man sie richtig antreibt. Unter 8'000 Umdrehungen liefert der Motorblock zu wenig Leistung, um richtig anzugreifen. Ab 9'000 hingegen geht sie auf Umlaufbahn. Der Klang des Motors wird schon fast beunruhigend und wir spielen auf der kurvenreichen Bergstrecke immer wieder mit dem Getriebe, um noch schönere Töne zu erzeugen. Hier haben wir „the Dark Side of Benidorm“ gefunden und wir geniessen es. Wir haben eine neue Facette ihrer Persönlichkeit entdeckt: sie ist ein kleiner Giftzwerg.
Die leicht verzögerte Bremsleistung hat mir weniger gefallen. Sie ist sicherlich für dieses Motorrad und bei Normalgebrauch ausreichend, sie zähmt die 42 PS ohne Problem. Bringt man sie aber an die Grenze des Machbaren, wünscht man sich etwas mehr Unterstützung. Das ganze Bremssystem ist gleich wie bei der R3, da sich aber die Sitzposition verändert hat, erhält man nicht mehr die gleichen Rückmeldungen. Das Motorrad wird abgebremst, nur merkt man dies nicht mehr auf die gleiche Weise. Um sicher durch die Kurven zu kommen, benutzte ich häufiger die Hinterradbremse, die eine gewisse Stabilität in den Kurveneinfahrten verleiht.
Nach einer Multimedia-Vorstellung müssen wir uns sputen um unseren Rückstand auf die Marschtabelle aufzuholen, denn das Mittagessen erwartet uns. Zuerst fahren wir auf einer Schnellstrasse, auf der uns die MT zeigt, dass die Höchstgeschwindigkeit sehr respektabel ist, anschliessend auf einer Strecke mit vielen Kurven und unebenen Strassenbelägen. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche und möchte die Quintessenz der Maschine ergründen. Ich empfinde die gleiche Lust am Fahren wir bei der R3. Ich gehe bis an die Grenzen und kann ihr ganzes Potential ausschöpfen. Ohne Verlust des Realitätsbezugs, ohne sich mit über 200 km/h auf die Erdumlaufbahn zu katapultieren, ohne Angst vor Radarfallen. Es ist einfach schön.
Teil der MT-Familie zu werden, dürfte nicht einfach sein. Mit der Devise The Dark Side of Japan möchte Yamaha die inneren Werte und die Qualität der japanischen Marke ehren und ausserdem eine grosse Portion Vergnügen und Emotionen (the Dark Side) hervorrufen.
Die MT-03 entspricht diesem Geist. Mit einem sehr gelungenen Design, aber vor allem durch ihre doppelte Persönlichkeit überrascht diese kleinzylindrige Maschine. Gut geeignet für den Stadtverkehr entwickelt sie ein ungestümes Temperament, sobald sie auf der Landstrasse losgelassen wird. Sehr wendig, stabil und lebhaft, darf Fräulein MT, ohne sich zu schämen, auf das Familienfoto: sie kann auf die von ihren Cousinen geerbten Gene Stolz sein.
Nun muss sie sich der harten Konkurrenz auf dem Schulhof stellen, wo die Klassenkameradinnen nicht wirklich auf sie warten. Sie freut sich auf die Konfrontation mit der Kawasaki Z300 oder auch der KTM Duke 390. Kesse Göre, zeig’s ihnen!