Triumph hat uns eine aussergewöhnlich schöne Reisestrecke von ungefähr 250 km mit vielen Kurven in der Region Algarve im Süden Portugals zusammengestellt. Die von Triumph zur Verfügung gestellte Version ist der Tiger Explorer XCt, das Topmodell mit Stabfelgen.
Gleich zu Beginn kann ich die Parkbremse „Hill Hold, die es nur bei den Topmodellen gibt, ausprobieren. Es reicht im Stand mit einem Druck auf den Griff der Vorderradbremse, die Parkbremse zu aktivieren. Die Blockierung geschieht über die hinteren Bremsbacken. Um sie auszuschalten kann man entweder einen Gang einlegen und die Kupplung loslassen oder man drückt ein zweites Mal auf den Griff der Vorderradbremse. Für ein Motorrad dieses Gewichts ist dies sicher ein Gewinn. Ob beim Halten in einer Steigung vor einer Ampel oder wenn ein Beifahrer aufsteigen will, die Bremsung des Fahrzeugs kann einen unglücklichen Sturz aus dem Stand vermeiden helfen. Die Nutzung dieser Hilfe geschieht instinktiv und ist recht nützlich. Gemäss meinen Kenntnissen dürfte es sich um eine Weltneuheit bei Motorrädern handeln.
Bei einer Temperatur von kaum 10° C lasse ich es mir nicht nehmen, den heizbaren Sitz und die Handgriffe auszuprobieren. Für die grosse verstellbare Windschutzscheibe bin ich auch dankbar. Mit meiner Grösse von 182 cm muss ich sie ganz nach oben stellen, damit die Luftströmung meinen Helm nicht voll trifft und jetzt fühle ich mich richtig wohl. Ich kann sogar das Helmvisier offen lassen, die Scheibe deckt meinen Oberkörper perfekt ab.
Während des morgendlichen Einrollens haben wir Zeit, das Einstellen des Bordcomputers (Sport, Strasse, Regen und Gelände) und der Federung, die sich selbst anpasst, zu testen. Trotz der unzähligen Möglichkeiten ist die Benutzung intuitiv und der Lernprozess schnell abgeschlossen. Die Informationen der Anzeige sind vielfältig, so zeigt sie unter anderem, den durchschnittlichen und momentanen Verbrauch, den Reifendruck, die Temperatur und so weiter.
Kommen wir zu Herzstück des Explorers, seinem riesigen Dreizylinder von 1215 cm3. Seine Geschmeidigkeit erlaubt das Fahren – ohne zu nageln – zwei Gänge unter- oder oberhalb der Norm. Die Leistung steht wie bei der 800 cm3 linear zur Verfügung. Die Reaktionen des Motors sind trotz den 139 PS voraussehbar und man wird eigentlich nie von einer Überreaktion überrascht. Der Gasimpuls kann in den verschiedenen Fahrmodi sehr gut dosiert werden. Im Gegensatz zu einem Zweizylinder hört man beim Dreier unter 2'000 U/min kein Klopfen. Man kann mit Hilfe des Drehmoments dahingleiten, wie bei einem Zweier oder mit hochdrehendem Motor angreifen, wie bei einem „Vierbeiner“. Jeder nach seinem Geschmack.
Bis zu 4'000 U/min lässt sich der Cruiser mit dem Drehmoment ruhig gleiten, ab 5'000 U/min fängt er an zu brüllen und falls er über 7'000 U/min getrieben wird, verbreitert sich automatisch das Lächeln des Fahrers, so schön ist der Klang, der aus dem Auspuff kommt. Für ein Motorrad dieser Art, das mit einem original montierten Auspuff unterwegs ist, bin ich vom Klang beeindruckt. Wenn sie meinen, dass das Fahren eines grossen Trails langweilig ist, sollte den Explorer unbedingt ausprobieren. Ich bin überzeugt, dass sie ihre Meinung ändern werden. Auch der Vergleich zum 800er hinkt, da der 1200er viel mehr Charakter besitzt.
Ein kurzer Regenguss gibt mir die Gelegenheit den Fahrmodus „Regen“, der die Leistung auf 100 PS begrenzt und gleichzeitig das ABS früher Eingreifen lässt, zu testen. Ich merke sofort, dass die Leistung bei vollem Aufdrehen des Gasgriffes viel sanfter geliefert wird. Ob nun der Gasgriff zu optimistisch gedreht wird oder nicht, es gibt immer noch die Antriebskontrolle und das ABS, das jeden Übereifer im Keim erstickt.
Auf den von Triumph vorbereiteten Fahrstrecken hatte es auch Abschnitte mit beschädigten Strassenbelägen, was uns die Möglichkeit gab, die verschiedenen Stossdämpfereinstellungen zu testen. Bei „Sport“ spürte ich die Schläge, die Rückmeldung des Asphaltes kam sofort und direkt. Bei „Komfort“ wird das Motorrad geschmeidiger und alle Unebenheiten werden mehr oder weniger wegrasiert. Der Explorer ist so angenehm, dass man sich vorstellen kann, Tagesabschnitte von 500-600 km zu planen. Die Federung kann auf zehn verschiedenen Stufen zwischen Sport und Komfort eingestellt werden. Dazwischen findet man sicher den idealen Kompromiss für jeden Fahrstil.
Damit ich dem zügellosen Rhythmus meiner Kollegen auf den kurvenreichen Strassen Südportugals folgen konnte, fuhr ich den grössten Teil des Tages mit der Einstellung „Sport“. In jeder Lage hatte ich vollstes Vertrauen in den Explorer. Die (un)vernünftigen beinahe 140 PS stehen ohne Unterbrechung jederzeit zur Verfügung, also kein Grund, sich zu ängstigen. Beim Fahren auf der Strasse vergisst man komplett ihr stolzes Gewicht, das Motorrad lässt sich ohne Aufwand von einer Kurve in die nächste legen. Der Kardanantrieb ist absolut neutral und stossfrei.