Die 115 angegebenen Pferde verlangen ihren Tribut, insbesondere wenn man mit der Einspritzmodus A und ohne Antriebskontrolle fährt. Ungefilterten Genuss, trocken und unverfälscht, das ist das Konzept dieser XSR 900. Aber .... in unruhigen Zeiten braucht es auch etwas Muse. Die zwei anderen Motoreinstellungen – wählbar im Stand durch Knopfdruck auf der rechten Lenkerseite – erlauben eine ruhigere Gangart. Der Standard Modus feilt die Charakterspitze des Dreizylinders etwas ab. Dabei verliert man aber nichts an Leistungsfähigkeit und hat immer noch alle Vorteile der Neukonstruktion zur Verfügung. Der B Modus drosselt den Motor auf halbem Weg und bei teilweisem Gasimpuls. Ein störendes Gefühl, als ob der ganze Charakter der XSR abhanden gekommen wäre.
Zurück im Standard Modus fühle ich mich – auf abgewetztem Asphalt, einer Strecke, die abwechslungsweise langgezogene Kurven, enge Spitzkehren und kleine versteckte Ecken bietet – wieder unter meinesgleichen. Der Adrenalinpegel steigt erneut – die Drehzahlen auch – der Druck auf die Hebel wird verstärkt und die Yamaha tanzt mit Begeisterung. Der kleinste Impuls auf die Fussrasten oder den Lenker lässt die XSR von einer Kurve in die nächste tauchen, stabilisiert sich wieder und wirft sich mit Schwung in die nächste Kehre.
Nach einer Mittagspause am Meeresufer befinden wir uns auf gut ausgebauten geraden Strassenabschnitten. Zwei Dinge fallen mir auf: der Komfort des Sitzes und das Fehlen eines Windschutzes. Bei Geschwindigkeiten jenseits der erlaubten Grenze auf einer Autobahn wirkt sich das negativ aus. Ein Grund mehr, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Positiv zu erwähnen ist die kleine, runde – gut lesbare – Instrumentenanzeige.
Nach ungefähr 200 km müssen wir überraschenderweise schon an die Tankstelle. Bei der Vorstellung wurde uns noch gesagt, dass die Yamaha erst nach 260 km wieder an die Tränke geführt werden muss. Unser Reiseleiter erklärt es mit unserer etwas forschen Fahrweise und dass die 3-Liter-Reserve bei den 260 km eingerechnet ist. Wir sind etwas stolz, in dieser Weise kritisiert zu werden.
Das Ende unserer Fahrstrecke wechselt zwischen Vulkanlandschaften, postkartenähnlichen Küstenabschnitten und verlassenen Wüstengebieten. Wir kreuzen sogar eine Touristenkarawane auf Dromedaren. Wir sind von den vielen Interessierten, die uns bei jedem Zwischenhalt mit Fragen über die XSR 900 belagern, überrascht. Offensichtlich lässt sie nur wenige gleichgültig wegschauen.
Sich auf der Welle des Vintage und der unendlichen Individualisierung zu bewegen, gibt Yamaha Recht mit dem Konzept der Faster Sons. Die uns vorgestellte Maschine bereitet enorm Freude und überzeugt auf der ganzen Linie. Der Cocktail der XSR 900 kann auf vielfältige Weise genossen werden. Sie begeistert den Motorradfahrer, der nach dem authentischen „Mechaniker“-Erlebnis eines „Newtimers“ sucht.
Der XSR 900-Cocktail gibt einen Geschmack der Zukunft, der uns an das Alte, Nostalgische denken lässt, und mischt dann noch ein Schuss Heute dazu. Aber vor allem gibt er Lust, Motorrad zu fahren. Was gibt es schöneres als am Morgen aus dem Bett zu steigen, die Türe der Garage zu öffnen, ein paar Kilometer zu verschlingen und das Leben (den Lenker) mit beiden Händen zu umarmen.