Ich muss zugeben, dass ich überzeugt war, dass das schöne Biest zu gross und zu schwer für die korsischen Feld- und Waldwege ist. Aber – wie im Stadtverkehr – erwiesen sich die 230kg als leichter zu bewegen, als diejenigen vergleichbarer Fahrzeuge. Die Dynamik der Africa Twin ist ausgezeichnet.
Für die Fahrt im Gelände wurde uns empfohlen die Antriebskontrolle auf der untersten Stufe einzustellen. Die Waghalsigen unter uns konnten das System komplett ausschalten.
Die natürliche Stellung im Gelände ist stehend auf den Fussrasten. Der perfekt erhöhte Lenker lässt die Richtungsänderungen mit Leichtigkeit zu. Der Antrieb, der mit Originalreifen ausgerüsteten Honda, ist ideal. Wir beginnen sehr sachte uns an die Grenzen der Bodenhaftung und der Maschine vorzutasten, als es vorerst nicht klappt, erhöhen wir das Tempo.
Und nun finden wir die Glückseligkeit. Wir jagen das Heck des Motorrads unerbittlich in jede Kurve und die auf der untersten Stufe eingestellte Antriebskontrolle verhindert einen fatalen Sturz effizient. Man spürt, dass das Ausbrechen des Hinterrades droht, haben aber keine Angst, es nicht mehr auffangen zu können. Wir erhöhen die Geschwindigkeit abermals. Das Motorrad sucht den Gripp, die 100 PS atmen tief und ziehen an den Armen. Die nächste Kurve kommt etwas zu schnell, wir müssen auf einer Mischung von Erde und Sand abbremsen, normalerweise hätte man Angst – wie beim Skilaufen, die Skier zu kreuzen und nach vorne zu fallen. Nun kommt das meisterhafte ABS des Vorderrads ins Spiel. Kräftig – ohne festzuklemmen – wird das Motorrad auf sichere Weise abgebremst. Um das Glück vollkommen zu machen, streicht man liebevoll über das Fussbremspedal. Es kann weitergehen.
Die DCT Version ist eine Offenbarung. Die erste elektronische Einstellung ist gleich wie bei der mechanischen Version. Man wählt ebenfalls den Modus „S“, dazu drückt man auf den G-Knopf um den Spass zu vervielfachen. Ich stelle mir ihr Lächeln beim lesen des letzten Satzes vor und wahrscheinlich haben sie die Fokussierung auf das Motorrad verloren. Um etwas klarzustellen: ich schreibe nicht über Anatomie sondern immer noch über ein Motorrad. Der G-Knopf (G für Gravel = Kies) gibt es nur bei der automatischen Version. Die Motorbremse wird ans Geländefahren angepasst und erlaubt halsbrecherische Abfahrten in völliger Gelassenheit. Wie ist das möglich? Es handelt sich um ein System, das die Zeitspanne des Gleitens der Kupplung zwischen zwei Gängen kontrolliert.
Ausserdem bietet diese Version einem ungeübten Lenker, sich auf das Fahren zu konzentrieren, und die vielen Gangwechsel komplett zu vergessen. Dem geübten Geländefahrer wird die Aufgabe erleichtert.
Mit einem tieferen Reifendruck, eigentlich für eine Geländefahrt ideal, wurden wir nochmals auf die Strecke geschickt. In meinen Augen hat sich dabei nichts Grundlegendes verändert. Sicherlich war die Bodenhaftung etwas besser, man konnte das Motorrad noch etwas mehr in die Schräglage bringen und noch aggressiver aus den Kurven jagen, das Verhalten blieb aber im grossen und ganzen gleich.
Am Ende unserer Probefahrt mussten wir zurück zum Hotel. Auf der abtrocknenden Strasse konnten wir ausprobieren, wie sich die Africa Twin bei „unvernünftiger“ Fahrweise verhält. Auch wenn schon fast alles in diesem Artikel gesagt worden ist will ich beifügen, dass das rasante Fahren mit diesem Motorrad auf trockener Strasse ein unglaubliches Vergnügen ist.
Ein Lager wird nun antworten, dass das Fahren mit der DCT Version, ohne sich um die Gangwechsel zu kümmern, viel entspannter ist. Die Nostalgiker werden sicher die mechanische Version vorziehen. Ich selbst ziehe die DCT im Gelände vor, bin hingegen eher für die mechanische Version für die Strasse. Hauptgrund meiner Wahl ist die Möglichkeit, mit der Kupplung zu spielen, leider sind ohne Kupplung das Heben des Vorderrades oder das „Abschmieren“ in einer Kurve nicht möglich. Das DCT ist verblüffend Wirkungsvoll und für zusätzliche CHF 1'000 sollte man sich diese Investition wirklich überlegen.
Es gibt nicht nur das DCT als Sonderausführung. Interessant sind auch die Verstärkungen und die zusätzlichen hocheffizienten Nebelleuchten für den richtigen Tourenfahrer. Dazu gesellen sich die von Honda speziell vorgesehenen Reisekoffer, in denen unheimliche Mengen untergebracht werden können. Die schöne Linie der Africa Twin wird damit aber massiv gestört.
Die Zukunft wird es uns zeigen. Es ist hingegen offensichtlich, dass die Qualität des Vorgängermodelles in unsere Zeit herübergerettet worden ist, hinzu gesellt sich die zusätzliche Leistung und die Elektronik. Kurz und bündig, sie ist verblüffend und dies in jedem Gelände.