
Die Africa Twin ist vor allem ein Geländemotorrad, DAS Geländemotorrad. Sie hat eine enorme Bodenfreiheit, ist handlich, hat einen drehfreudigen Motor und ist fähig bei jeder Bodenbeschaffenheit Kilometer zu fressen. Honda setzte im Jahre 1988, als die erste Africa Twin vorgestellt wurde, das Thema meisterlich um. Das damalige Motorrad stammte direkt vom Prototypen und Paris-Dakar Gewinner NXR750 ab.
Als die Konkurrenz mehr und mehr grosse Geländemaschinen (Maxi-Trails) auf den Markt brachte, stellte Honda 2003 die Produktion ein. Dreizehn Jahre später nehmen sie das alte Konzept aus der Schublade und beleben die ursprüngliche Geländemaschine wieder, allerdings mit aktualisierter Technik ausgestattet.
Die Grundlage des Motors ist keine andere als die ausgezeichnete CRF250/450, wie damals 1988. Den gleichen Namen zu wählen, setzt die Hürde für Honda sehr hoch. Wir erinnern uns: zwischen 1988 und 2003 wurden in Europa nicht weniger als 75'000 Exemplare der Africa Twin verkauft.
Das Ziel ist, auf das ursprüngliche Konzept einer Geländemaschine (Trail), das von den leistungsstärkeren und viel schwereren Maxi-Trails verdrängt worden ist, zurückzukommen. Honda hat nun mit diesem „immer-grösser“ Trend gebrochen und will sich auf einige Grundlagen beschränken: lange Federwege, grosse Bodenfreiheit (250mm), ein drehfreudiger Motor, voll einstellbare Stossdämpfer und – unserer Zeit entsprechend – etwas Elektronik. Nicht mehr als nötig, man will nicht den Eindruck erwecken, eine Playstation zu fahren. Die CRF1000L ist mit ausschaltbarem ABS am Hinterrad, einem Drehmomentregler (HSTC für Honda Selectable Torque Controle) – der auf vier verschiedenen Leistungsstufen eingestellt werden kann – und, falls vom Käufer gewünscht, dem DCT (halb-automatisches Getriebe) mit vier verschiedenen Motor-Voreinstellungen, ausgerüstet. Die Version DCT verfügt über einen Modus „Gravel“ – zu Deutsch Kies. Mit einfachem Knopfdruck erreicht man, dass die Elektronik die Motorbremse kontrolliert und die Antriebskontrolle bei Geländefahrten verbessert wird.
Da es sich bei der DCT um ein automatisches Getriebe handelt, ist der Kupplungshebel verschwunden. An dessen Platz wurde der Hebel für die Parkbremse gesetzt. Glücklicherweise genügend weit weg vom Handgelenk, dass er nicht ungewollt im Fahren betätigt werden kann.
Die Vielseitigkeit, unzertrennlich mit der ursprünglichen Africa Twin verbunden, war selbstverständlich ebenfalls eine Vorgabe. Sie bewährt sich im Stadtverkehr, auf der Autobahn, der Landstrasse oder im Gelände. Dazu gesellt sich ein weiteres Argument, der Verbrauch von ca 5 Liter/100km ergibt bei einem 18 Litertank eine Reichweite von fast 400km. Beachtliche Leistung!
Bevor man sich in den Sattel schwingt, sollte man die in weniger als 2 Minuten verstellbare Sitzhöhe einstellen. Das gleiche gilt für Feder- und Dämpfungssysteme, die in allen möglichen Richtungen einstellbar sind ... das kann ja heiter werden.
Auf dem Motorrad sind alle Steuerelemente „gefühlsmässig“ bedienbar. Schon nach wenigen Radumdrehungen bekommt man das typische Hondagefühl. Man weiss gleich, dass es sich um eine Honda handelt. Alles ist einfach und man fühlt sich sofort wohl, man hat den Eindruck schon immer mit diesem Motorrad gefahren zu sein. Sie ist so unglaublich handlich, dass es schon fast unheimlich ist.
Zu Beginn unserer Probefahrt durchqueren wir Ajaccio und stellen gleich fest, dass der Stadtverkehr für die CRF1000L keine Hexerei ist. Der Lenkeinschlag, die unvergleichliche Handlichkeit und der Motor lassen dieses Motorrad im Gedränge der Stadt hervorragen. Entgegen meiner Befürchtung stellt sich das Schlängeln zwischen den Autos als Kinderspiel heraus.
Falls sie sich für die DCT-Version entschieden haben, wählen sie im Stadtverkehr den Modus „D“. Der Gasimpuls ist viel sanfter und gleichzeitig senkt sich der Verbrauch. Dies ist mit Abstand die wirtschaftlichste Fahrweise mit der Africa Twin. Bei unserem Versuch verbrauchten wir weniger als 5 Liter pro 100 Kilometer. Das muss man erst mal unterbieten.
Anschliessend befinden wir uns auf richtigen korsischen Strassen, wunderschön und sehr kurvenreich. Obwohl der grösste Teil unseres Tests bei Regen und nasser Fahrbahn stattgefunden hat, wurde schnell klar, dass man mit diesem Motorrad den Fahrrhythmus steigern kann. Mit dem solide gebauten Fahrwerk wagten wir uns sofort in tiefere Schräglagen, später zu Bremsen und ausgangs der Kurven schneller zu Beschleunigen. Diese sportlichere Gangweise gab uns einige wichtige Erkenntnisse:
Bei der DCT Version gibt es kleinere Unterschiede. Selbstverständlich braucht man sich nicht mehr um die Kupplung oder das Gangschalten zu kümmern. Trotzdem kann man, mit einfachem Knopfdruck am Lenker, Gänge wechseln. Für alle, die sich nicht ganz vom Althergebrachten trennen können, ist es möglich, einen Fusshebel zum Schalten anzubringen. Dies ist eine der vielen Optionen, dazu aber später mehr.
Während der Modus „D“ für bereits beschriebene Fahrttypen empfohlen ist, wählt man „S“ für Spazierfahrten. Die drei Möglichkeiten zur Einstellung des Zeitpunkts des Gangwechsels ergeben höchsten Komfort. Die Wechsel geschehen immer bemerkenswert fliessend und zum optimalen Zeitpunkt.