Während den ersten Kilometern lernen wir auch die Geschmeidigkeit der Kupplung zu schätzen. Es genügt ein weicher Druck auf den Hebel und man findet mit Leichtigkeit den Reibungspunkt bei dem die Kupplung greift. Das langsame Manövrieren – so gefürchtet bei der Fahrprüfung – ist mit diesem Motorrad ein Kinderspiel. Bei längeren Ausfahrten muss man die Ermüdung der linken Hand ganz sicher nicht befürchten.
Bevor wir das andalusische Vorgebirge mit den kurvenreichen Strassen erreichen, legen wir einige Kilometer auf einer Schnellstrasse zurück. Dieser Streckenabschnitt gibt uns die Gelegenheit, die Geschwindigkeitsgrenze der Z650 auszuloten. Im sechsten Gang zwischen 5 und 6'000 U/Min. zeigt der Zweizylinder genügend Elastizität, hingegen spürt man bei diesem Motoreinsatz eine gewisse Vibration auf den Fussrasten. Nichts dramatisches, nur kann ich bei längeren Fahrten mit hoher Geschwindigkeit, ein anhaltendes Kribbeln in den Füssen nicht ausschliessen.
Auch wenn der Windschutz der Instrumentenanzeige eher zur Zierde angebracht worden ist, stellt der Winddruck auf den Oberkörper und den Helm nicht wirklich ein Problem dar. Durch die Leichtbauweise des vorderen Teils des Motorrades verliert man bei hohen Geschwindigkeiten etwas an Stabilität; das Motorrad bleibt beweglich und zeigt eine Schwäche sich wieder in der Senkrechte zu stabilisieren, da es ständig auf die kleinste Einflussnahme des Fahrers reagiert. Etwas was weder lästig noch gefährlich ist, es ist nur eine Frage der Fahrroutine.
Endlich sind wir bei den lang ersehnten Kehren des Gebirges. Ruckzuck, passt sich die Z650 den Gegebenheiten an und wirft sich von einer Kurve in die nächste. Die vorher erwähnte Behändigkeit bestätigt sich erneut. Mit viel Feingefühl lässt sie sich an die Kurvenränder legen, ohne – wie von vielen Fahrern befürchtet – sich brachial hinzulegen. Im Gegenteil: das in die Kurve legen geschieht ohne Überraschungseffekt sehr sanft und fortschreitend.
Und falls man doch einmal mit zu hoher Geschwindigkeit in eine Kurve fährt, lässt sich die Maschine mit einem kurzen Bremseinsatz, ob mit dem Vorder- oder dem Hinterrad ist egal, wieder auf Kurs bringen. Das allmähliche Einsetzen der Vorderradbremse und das die Rückmeldung an den Fahrer ist speziell zu erwähnen. Die Bremsbacken wirken vorerst sehr sanft auf die Bremsscheibe, um bei stärkerem Ziehen am Bremshebel um so stärker zuzugreifen. Auch die Bremse am Hinterrad erreicht ausgezeichnete Werte, was bei einem Roadster eher erstaunlich ist. Man kann sich wirklich bei jeder Gelegenheit auf beide Bremssysteme verlassen. Beim Bremseinsatz versucht weder das Vorderrad abzuheben, noch verliert das Hinterrad die vorgesehene Spur.
Um sich in die nächste Kurve zu stürzen genügt bei der Kurvenausfahrt ein leichtes Antippen des Gasgriffes. Egal in welchem Gang dies geschieht, man hat nach dem Gasimpuls immer genügend Drehmoment um die Z650 voranzutreiben. Bei einer kurvenreichen Bergstrecke dürfte ein Könner am Lenker dieses Motorrades keine Mühe haben grössere Motorräder stehen zu lassen. Der Zweizylinder stellt auch bei tieferen Drehzahlen immer ausreichend Leistung zur Verfügung.
Bei hohem Drehmoment stellt man sich unweigerlich die Frage, ob die Kraft auch übertragen werden kann. Bei den angetroffenen Strassenverhältnissen (trocken und gut unterhaltener Belag) konnte ich keine Ungereimtheiten ausmachen. Zu keiner Zeit versuchte das Hinterrad auszubrechen. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, wieso Kawasaki auf den Einbau einer Antriebskontrolle verzichtet hat, obwohl es sicher aus Marketinggründen zu ihrem Vorteil gewesen wäre. Im Gegensatz zum Wohlverhalten des Hinterrades, wurde ich bei starken Beschleunigungen durch das Vorderrad regelmässig auf die Probe gestellt. Wie schon gesagt, ist der vordere Teil des Motorrades eher leicht gebaut, was bei Beschleunigungen im ersten und zweiten Gang und bei unebener Fahrbahn, das Vorderrad abheben lässt. Nervenkitzel für Anfänger ist garantiert. Der Z Geist zeigt sich auch hier!
Alle schönen Dinge finden immer zu schnell ein Ende, auch dieser Tag auf einem fantastischen Untersatz in einer tollen Umgebung. Zeit um eine Bilanz zu ziehen. Wir erinnern uns an die Leichtigkeit der Handhabung unter allen Umständen, der spielerische Umgang mit dem Gefährt, der willige und elastische Motor, die effizienten Bremsen, die sich keinen Aussetzer erlauben, die Ergonomie, die fein geschnittene Linie... , alles Qualitätsmerkmale, die mich (kleinere) negative Punkte vergessen lassen.
Die legendäre Z650 aus dem Jahr 1976 ist wieder auferstanden. Die Philosophie der Marke wird respektiert und die zu Recht sehr populäre ER-6n, lebt in der neuen Z650 weiter. Viele Motorradfahrer und –innen dürften von ihr verführt werden. Mein Rat an jeden: je schneller du bei deinem bevorzugten Motorradhändler die neue Z650 bestellst, desto eher wirst du eine erhalten. Ich bin mir sicher, dass die für die Schweiz vorgesehene Anzahl, sehr schnell vergriffen sein wird.