
Die Z-Familie wird im 2017 mit der Z650 erweitert, wobei das Erfolgsrezept der ER-6n mit den Charakterzügen der bisherigen Z-Modelle vereint wurde. Kawasaki erreichte dabei einen schönen Mix aus Leistung, Emotion, Ergonomie und Erschwinglichkeit.
Im Gegensatz zur allgemein erwarteten Überarbeitung der ER-6n, wurde die Z650 von Grund auf neu überdacht. Zu erwähnen wäre dabei das Stahlgeflecht-Fahrwerk, der Motor, die gesamte Federung, Elemente der Verkleidung, .... alles Elemente um das Gewicht gegenüber dem Vorgängermodells um 19 kg zu senken. Sie erreicht nun bei vollem Tank beachtenswerte 187 kg. Nur schon das Fahrwerk und der Schwingarm zusammen bringen 12.7 kg weniger auf die Waage!
Neuer Motor? Wirklich? Nicht ganz. Der Linienzweizylinder mit 649 cm3 stammt zwar von der „alten“ ER-6n, erhielt von den Ingenieuren aber spezielle Beachtung, damit er die hochgesteckten Anforderungen der Euro4-Ausstoss-Normen erfüllen kann. Bei 8'000 U/Min. stehen 68 PS und bei 6'500 U/Min. 66 Nm Drehmoment zur Verfügung, womit der Motor an Elastizität und bei tieferen und mittleren Drehzahlen an Kraft gewinnt. Die Angaben von Kawasaki versichern schon bei tiefen Drehzahlen eine stattliche Zahl an Drehmoment, der sich über die gesamte Spannbreite, ohne die Mechanik zu stark zu beanspruchen, linear entfaltet. Als Folge konnte der Benzinverbrauch markant gesenkt werden (Werkangabe: 4.3 l/100 km), was auch einer Vorgabe der Euro4-Norm entspricht. Getreu dem Ruf der Z-Modelle zieht der Zweizylindermotor ununterbrochen bis zur roten Zone, ja er zeigt sogar auch noch über 6'000 U/Min. eine ausserordentliche Lebhaftigkeit. Solche Charakterzüge ergeben für den Fahrer einen gewissen Nervenkitzel, sei es im Stadtverkehr oder bei Fahrten über längere Strecken.
Überraschend ist die ausserordentliche Feinheit des Gasimpulses. Sogar bei tiefster Geschwindigkeit und bei Manövern spricht der Motor sehr sanft auf jede Bewegung an. Zusammen mit der kinderleicht zu dosierenden Anti-Dribble-Kupplung und dem tiefen, feingliedrigen Sitz (790 mm über Boden), ist die Z650 insbesondere für kleinere und unerfahrene Fahrer ein Motorrad für alle Fälle.
Die Erneuerung setzt sich beim Fahrwerk fort. Die grosse Neuheit bei der Z650 ist das Stahlgeflecht-Fahrwerk. Obwohl kaum 15 kg leicht ist es verantwortlich für die Steifheit des Motorrades. Der Schwingarm als Fortsatz des Fahrwerks wurde so gebaut, damit das Ganze noch steifer wird.
Die Verlängerung der Rohre des Fahrwerkes wird als Gerüst für den Heckbogen verwendet. Die seitlich angebrachte Hinterradfederung bei der ER-6n, die dem Motorrad den typischen Anblick gab, wurde bei der Z650 mit einem waagrecht gestellten Federbein des Typs Back-Link (wie bei den grossen Schwestern Z800, Z900 und Z1000) ersetzt, ein Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort.
Das Vorderrad der Z650 ist mit einer einfachen Teleskopgabel mit einem Durchmesser von 41 mm ausgerüstet. Die Bremsen vertrauen auf zwei Bremsbacken, die auf eine gerippte, sportlich aussehende 300 mm Scheibe zugreifen. Zur weiteren Sicherheit vertraut Kawasaki auf das ABS-Modul Bosch 9.1M der neuesten Bauart, das sich neben der hohen Berechnungsgeschwindigkeit durch sein tiefes Gewicht auszeichnet.
Kommen wir schliesslich zum Aussehen. Auch hier wird neues geboten. Die ER-6n stellte sich bisher etwas bieder dar, zwar sympathisch, gut in der Kurve liegend, aber nicht mehr als das. Die neue Z650 rückt sich in den Vordergrund mit den langgezogenen Linien, einer imposanten Frontpartie, ein aufgewertetes Heck und einer sportlichen Silhouette. Ein durch und durch aggressives Aussehen. Je nach dem aus welchem Blickwinkel man sie ansieht, hat man den Eindruck vor einem gross-zylindrischen Motorrad zu stehen. Kawasaki hat sich speziell in der Detailverarbeitung enorm Mühe gegeben. Die Kunststoffabdeckungen sind filigran gegossen und auch alle möglichen Kabel sind geschickt verdeckt worden. Die Bemalung der Verkleidungen und des Stahlgeflechtrahmens entzücken. Mit diesem Motorrad bezirzt Kawasaki die potentiellen Käufer und gibt den Eindruck ein Motorrad der gehobenen Klasse zu besitzen. Natürlich ist das Aussehen Geschmackssache jedes Einzelnen. Es ist aber unbestritten, dass die Z650 das Publikum überzeugen kann, insbesondere in der Farbkombination seidenes weiss, glitzerndes grün und schwarz.
In der herrschenden Winterzeit (Dezember 2016) wurden wir Motorradjournalisten von Kawasaki in den Süden Spaniens nach Andalusien eingeladen. Ein stahlblauer Himmel und Temperaturen um 20° stellte das optimale Umfeld für eine Testfahrt dar.
Das Programm: eine Distanz von ungefähr 240 km, Schnellstrassen, Stadtverkehr, kurvenreiche Strassen, alles was man auch im täglichen Verkehr vorfindet. Schnell machen wir uns mit den Instrumentenanzeigen vertraut. Die LCD-Anzeige funktioniert im negativen Sinn (d.h. man findet weisse Zahlen auf schwarzem Grund) bei der digitalen Geschwindigkeitsanzeige, beim gewählten Gang, der Anzeige der Gesamtkilometer und der Tageskilometer (zwei Anzeigen), die verbleibende Reichweite, den durchschnittlichen und momentanen Verbrauch, die Aussentemperatur, die Temperatur des Kühlwassers, die Uhrzeit und die Anzeige der (un)wirtschaftlichen Fahrweise. Man findet wirklich alles was man sich ausdenken kann. Man kann sogar unter drei verschiedene Arten von Drehzahlanzeigen auswählen.
Ein kurzer Druck auf den elektrischen Starter und er Zweizylinder beginnt zu schnurren. Schon im Leerlauf beeindruckt der Klang des „kleinen“ 649 cm3 Motors. Der sonore Klang kommt sicherlich vom Luftfilter und der eigentlichen Luftzufuhr. Fehlt nur noch ein Schalldämpfer von Akrapovic um das Meisterwerk zu vervollständigen, was aber nicht wirklich nötig ist, da der Originalzustand schon überzeugend klingt.
Wir verlassen den Vorplatz des Hotels. Mein lieber Schwan, welche Behändigkeit, ein unglaublicher Radeinschlag und welche Leichtigkeit zu manövrieren! Das tiefere Gewicht, eine reichlich breite Lenkstange, ein kleinerer Stellwinkel des Rades und der Dunlop D214 Reifen (entwickelt in Zusammenarbeit zwischen Kawasaki und Dunlop, halb Sport-Touring Roadsmart, halb Supersport Sportsmart) ergeben ein eindrückliches Fahrverhalten. Auch die Sitzposition trägt zum Wohlgefühl im Stadtverkehr bei. Mit leicht nach vorne gerichtetem Oberkörper, den Beinen in einer natürlichen geknickten Haltung und dem Allerwertesten auf dem weichen Sitzpolster fühlt man sich rund um wohl. Wir setzen unsere Ausfahrt bei stetigem Gaseinsatz in den zwei grössten Gängen fort, wobei der Motor bei knapp über 2'000 U/Min. jederzeit anspricht.