
Ducati beschreibt das neue Motorrad als das kleinste „Multibike“ und meint damit die Motorgrösse und nicht das Erscheinungsbild, das in nichts dem 1200er Modell nachsteht und noch massiver wirkt als die damalige 1100er Multistrada. Ich muss zugeben, dass ich seit 2010 von der Multistradalinie magisch angezogen bin, insbesondere eine Spezialausgabe „Pikes Peak“ hat es mir angetan.
Ducati begnügte sich nicht damit einen kleineren Motor in ein existierendes Fahrgestell einzubauen. Verschiedene Elemente wurden von der 1200 und der 1200 Enduro in der Kleinen vereinigt. Der vordere Teil – Benzintank, Felge und Federgabel – wurde von der ersteren übernommen. Der hintere Teil wurde eher von der Enduro beeinflusst, sei es der tiefere Fahrersitz, der Sozius, der doppelte Schwingarm oder der Schalldämpfer des Auspuffrohres.
Nur beeinflusst, da der ganze Schwingarm im gleichen Schwarz gehalten ist, wie der Motorblock und der Schalldämpfer, was dem Motorrad einen einzigartigen Anblick verleiht. Das Hinterrad gleicht keiner der beiden Vorgaben: weder Einzelschwinge, noch Felge mit Drahtspeichen. Beim Fahrdisplay wurde mit einem klassischen Schwarz-Weiss Bildschirm die Hierarchie gewahrt. Trotzdem bietet er vielfältige Informationen und enthält einen Anschluss für ein Garmin. Schlüsselloses Starten und stilisierte Bedienungselemente, wie bei der Monster, findet man ebenfalls nicht. All diese Dinge sind minimalistischer und dementsprechend billiger (nicht schlechter) ausgefallen. Das ganze ergibt eine gut gelungene Vermischung von zwei Erfolgsmodellen. Dier 950er ist eher stadttauglich, etwas diskreter, aber hat immer noch diese lustvolle „Italianità“.
Der verwendete Testastretta 937 cm3 wird bei Ducati bereits bei der Hypermotard und der Hyperstrada eingesetzt und unterscheidet sich mit 113 PS und 96.2 Nm Drehmoment nur unwesentlich. Die Elektronik bietet Zugriff auf vier verschiedene Fahrmodi: Touring, Sport, Urban und Enduro. Zudem verwaltet sie auch die Antriebskontrolle und das Bosch 9.1 MP ABS. Hingegen fehlt das DVT System, das die Kraft des Motors der grossen Reise-Ducati zügelt.
Die Kayaba Federgabel mit einem Durchmesser von 48 mm ist komplett frei einstellbar, wie auch der Sachs Stossdämpfer auf der Hinterachse. Der Stossdämpfer ist zudem noch mit einem Scrollrad ausgerüstet, mit dem man die Vorspannung, gemäss der zusätzlichen Belastung eines Passagiers, Gepäcks oder auch das Fahren im Gelände einstellen kann. Der gut bemessene Federungsweg von 170 mm erlaubt jederzeit eine Fahrt abseits geteerter Strassen.
Unsere Testfahrt verläuft am Anfang mehrheitlich auf gut ausgebauten Strassen. Die Sitzposition auf der Multistrada ist entspannt und komfortabel, ähnlich der 1200er, nur mit dem Sitz der Enduro, der einem die Möglichkeit gibt, weit nach vorne zum Benzintank zu rutschen, damit die Handflächen angenehm auf den Handgriffen zu liegen kommen.
Die neuen Bedienungsknöpfe und -hebel, nicht unbedingt hübsch anzusehen, sind gut positioniert und einfach zu bedienen. Das Wechseln des Fahrmodus im Fahren ist leicht zu handhaben, auch wenn man zur Bestätigung während vier Sekunden auf den Knopf verbleiben muss. Im Stand können die 4 Modi intuitiv und kinderleicht eingestellt werden.
Auf den zügig zurückgelegten Kilometern der ersten Streckenhälfte schätzte ich die einhändig verstellbare Windschutzscheibe. Mit den fünf verschiedenen Einstellungen gewinnt man bis zu 10 cm Höhe. Zusammen mit den Handschützen, bei denen die Blinker integriert sind, wird das Ermüden während langen Fahrten, merklich reduziert.
Mit viel Schwung stürze ich mich in die langgezogenen Kurven, kurzes doppeltes Zurückschalten ohne zu bremsen, beschleunige ich voll beim Kurvenscheitelpunkt und werde belohnt mit einem wunderschönen, melodiösem Brummen des Motors. Dem Ruf einer Kurvenfresserin wird die Multistrada 950 vollauf gerecht.