
Mit der Einführung der Z800 wurden die Geschmacksnerven durch die gequälte und aggressive Linie arg strapaziert. Trotzdem konnte dieser Cocktail einen Erfolg verbuchen. Mit der Z900 kommt man wieder auf konventionellere, weniger elektrisierende Linien zurück. Von der Seite gesehen, überstrahlt der Motor, allein schon durch seine beeindruckende Präsenz, kurz gefolgt vom Auspuffrohr – in gebürstetem Alu und mattem Schwarz – das wie mit einem Lineal gezogen worden ist.
Von Vorne hinterlässt der nach vorne abfallende Scheinwerfer und das in der Armaturenverkleidung versteckte Standlicht einen bleibenden Eindruck. Die Instrumentenanzeige wurde von der kleineren Z650 übernommen, hat einen digitalen Drehzahlanzeiger (zur Auswahl stehen drei verschiedene Anzeigenarten), der über dem Bordcomputer angebracht ist. Die Anzeige des eingelegten Ganges und der Geschwindigkeit sind ideal platziert. Die Ziffern erscheinen in weiss auf schwarzem Grund, was nicht nur gut lesbar ist, sondern auch schön aussieht.
Die LED-Leuchte am Heck leuchtet als Z und macht die Maschine bei jedem Wetter ob in der Nacht oder am Tag unter tausenden erkennbar. Alle Kabel werden so weit wie möglich versteckt geführt, sei es im Rahmen oder hinter Verkleidungen. Nur das Kupplungskabel fällt dabei erstaunlicherweise aus dem Rahmen und wird quer vor der Federgabel durchgeführt. Eigentlich schade, wenn man sich bei allem anderen so viel Mühe gegeben hat. Wie bei jedem Roadster wird man vom Fahrtwind arg zerzaust. Glücklicherweise beschränkt sich dieser Effekt auf den Helm, die Beine sind durch den Motorblock abgedeckt.
Bei der Nachfolgerin der Z750 und Z800 hat Kawasaki mit der grossen Kelle angerichtet. Der 948 ccm-Motor wurde aus der Z1000 abgeleitet. Der Vierzylinder leistet 123 PS bei 9'500 U/Min., die rote Zone beginnt erst bei 11'000 U/Min. Der Motor wurde unter dem Rohrrahmen mit fünf Ankerpunkten fixiert.
Durch das geflochtene Rohr wurden wichtige Kilo gespart, es wiegt nur 13.5 kg. Das gleiche geschah mit dem Schwingarm, der noch 3.9 kg auf die Waage bringt. Im Gesamten erhält man ein Motorrad ,das behende und ausbalanciert aber nicht zu leicht ist.
Die typische Roadster-Fahrhaltung bei der neuen Z birgt keine Überraschungen. Der breite Lenker lässt mich über dem Vorderrad thronen und gibt mir präzise Rückmeldungen. Obwohl der Sitz etwas tief ist, sind meine Beine nicht unter dem Benzintank eingezwängt. Sicher ein Pluspunkt für den Fahrkomfort der Z900. Leider schlägt mein Fuss bei der Testfahrt dauern ans Auspuffrohr, was meine Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Mit einem Akrapovic-Aufsatz aus Titan oder Carbonfaser wäre das Problem gelöst.
Der Vierzylindermotor verhält sich auch bei tiefen Drehzahlen erstaunlich gut. Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass er aus tiefsten Lagen unheimlich beschleunigt, es reicht aber noch lange für eine Beschleunigung im 5. Gang von 50 km/h. Der stark untersetzte sechste Gang – mit einem enormen Unterschied zum nächstunteren Gang – braucht man nur auf der Schnellstrasse.
Refined Raw, ungefähr übersetzbar mit „geläuterte Grobheit“ sagt in zwei Worten, was das Ziel der Entwicklung der Z900 war. Um sie zu erleben, wurden wir Journalisten an den Fuss der andalusischen Berge eingeladen, die teilweise noch schneebedeckt waren. Bevor die Reifen die richtige Temperatur hatten, wurde ich mit mehreren Rutschern konfrontiert, was es schwierig machte den Rhythmus zu halten und dem Untersatz zu vertrauen, was man bei solchen Verhältnissen benötigt.
Mit der Zeit machte ich mich mit den Rückmeldungen der Reifen, den Bremsen und des Fahrwerks auf meine Gasimpulse und Bremsmanöver vertraut. Kurz ausgedrückt, sie sind rasant und direkt, aber nicht bedrohlich. Aber Vorsicht: ab 5'000 U/Min. sollte man nicht zu grosszügig mit dem Gasgriff umgehen. Da es keine Tractionskontrolle gibt, könnte sich das Hinterrad der Z900 sehr schnell verselbstständigen. Einmal daran gewöhnt, ist es ein purer Genuss sich von einer Seite auf die andere zu wiegen. Zuverlässig reagierend, frisst sie buchstäblich die Kurven, als ob ihr Weiterbestand davon abhängen würde.
Die einstellbaren Federungen (Vorspannung und Rückstoss) vorne und hinten, erfüllen ihre Rolle, das Gefährt auf dem Boden zu halten. Das Setup ist bereits für einen eventuellen Beifahrer ausgelegt, würde durch die Einstellung ausschliesslich für den Fahrer aber noch an Genauigkeit gewinnen. Die Bremsen sind ebenfalls auf der Höhe der Aufgabe und geben ein gutes Gefühl. Ein klein wenig stärkeres Zugreifen wäre die absolute Perfektion.
Ich benötigte einige Zeit um mich an den Vierzylindermotor und seine Bodenhaltung zu gewöhnen. Einmal über diese Hürde gesprungen, war es ein pures Vergnügen. Seine Behändigkeit macht süchtig und der speziell entwickelte Klang aus dem Auspuff könnte als Originalsound eines epischen Motorradfilmes sein. Bei jedem Hochtreiben der Drehzahlen verlängern sich die Arme und das Gehör wird umhüllt von einem wunderbaren Klangteppich.
Die Z900 könnte mit ein paar zusätzlichen Pferdestärken und dem bekannten KTRC ebenso gut eine Z1000 sein. Das Fahrwerk und der Motor haben ein unglaubliches Potential, was auch gutes für andere Z-Modelle erahnen lässt. Dieser neue Roadster ist messerscharf, geschliffen bis zum extremsten um in jede Kurve zu schneiden. Aber Achtung: sie ist nicht für jeden (noch) ungeübten Fahrer geeignet. Wer den Gasgriff nicht mit äusserster Vorsicht behandelt, findet sich sehr schnell wieder auf dem Boden der Realität.
Für die Z900 existiert in der Schweiz eine „Performance“-Version mit einem speziellen Sitz, einem Akropovic Auspuffaufsatz und einer Tankverkleidung, alles schon bei der Lieferung montiert. Der Aufpreis von CHF 1'250 ist dabei 20% unter dem Preis bei Einzelbestellung.