Die Scrambler soll in den Plänen von BMW gleich begehrt werden wie es die NineT bei der Lancierung war, wobei sie günstiger und leichter zu fahren ist als der Roadster. Mit den Rädern gleicher Grösse wie diejenigen der GS, einem etwas höheren und breiteren Lenker und einem minimal gepolsterten Sitz, bietet das neueste Modell von BMW eine weniger gekrümmte Sitzstellung, was auf den ersten Blick weniger ernsthaft erscheint als beim Roadster. Aber was soll’s, Spass hat man alle Mal.
Damit des 19 Zoll-Rad genügend Platz findet, musste der Stellwinkel und die Länge der Federgabel erhöht werden. Das Resultat soll – wird gesagt – eine bessere Wendigkeit und ein spielerischer Umgang ergeben. Mit dem erweiterten Radstand wird aber ganz sicher eine bessere Stabilität erreicht. Auf jeden Fall findet der Fahrer in der Praxis seinen Spass. Ohne lange Angewöhnungszeit fühlt man sich am Lenker sofort wohl, wobei ich zuerst die richtige Sitzposition finden musste, da ich meine Arme in einer unnatürlichen, gestreckten Position – wie bei einem Cruiser – halten muss.
Die Steuerung geht erstaunlich leicht, obwohl sie mit einem Dämpfer ausgerüstet ist. Trotz der wuchtigen Erscheinung mit dem beidseitig herausragenden Motor ist die Scrambler leicht steuerbar. Der Umgang auf der Strasse erscheint spielerisch einfach, sie lässt sich ohne Mühe von Kurve zu Kurve in die Seite legen, wobei die Präzision der Lenkung nicht über alle Zweifel erhaben ist.
Die Scrambler ist nicht für lange Hochgeschwindigkeitsstrecken, mit Kurven die mit grosser Präzision angesteuert werden müssen, gemacht. Einmal in der Kurve bewegt sich das Motorrad so zu sagen nicht mehr, erst bei der Ausfahrt sollte auf die Bodenhaftung geachtet werden, da die optionale Anti-Schlupfregelung auch bei nasser Strasse zu spät oder gar nicht eingreift.
Auf einer kurvenreichen Strecke ist die Scrambler nicht in ihrem Element. Bei jedem stärkeren Bremsvorgang taucht man nach vorne ab. Der sehr weiche und lange Federweg hat etwas Mühe die Kraft zu bändigen. Trotzdem kann man seinen Spass haben. Die Brembo-Bremsen entwickeln genügend Bremskraft um die Maschine zum Halten zu bringen, auch wenn ich mir ein etwas griffigeres Zupacken wünschen würde, damit ich wirklich erst im letzten Moment zur Bremse greifen muss. Letztendlich scheint die Bremsleistung aber unerschöpflich zu sein.
Die kurze Strecke auf der Autobahn bestätigt meinen Eindruck, dass die NineT Scrambler nicht für Motorradreisen gemacht ist. Der Kopf, aber auch die Extremitäten sind ganz einfach zu stark dem Wind ausgesetzt. Trotzdem erreicht sie problemlos 140 km/h, sicher genug um zwischen zwei Pässen die Autobahn zu benutzen. Mit der Zeit macht sich auch der harte Sitz bei meinem Gesäss bemerkbar. Ich sass schon auf vielen verschiedenen Motorradsitzen und ich muss sagen, dass derjenige der Scrambler mir am wenigsten zusagt. Da gefiel mir sogar der Sitz der Husqvarna 701 Supermotard besser, was eigentlich schon alles sagt.
Mit CHF 15'200 ist die Scrambler 2'200 billiger als der Roadster, was sich bei der Qualität, aber auch bei der Endverarbeitung bemerkbar macht. BMW hat auf jegliche Verzierung verzichtet, technisch das Minimum gemacht, dabei aber erreicht, dass sie auch einfacher zu handhaben ist.
Die beim Versuchsmodell eingebaute Antriebskontrolle, der Einzelsitz, die LED-Blinker, sowie die heizbaren Handgriffe sind ausserdem nur als Option erhältlich, was die Gesamtrechnung der Scrambler erheblich in die Höhe treibten würde.
Der saloppe Stil und die gerade Sitzposition spricht sicher eine grosse Zahl verschiedener Motorradfahrer an und der leistungsfähige Zweizylindermotor wird sie zu ungeplanten Spazierfahrten verführen. Der Klang des Motors macht süchtig und ist berauschend, genau die Art Verführung mit der man sich schnell in ein Motorrad verliebt. Der Spass ist ursprünglich und augenblicklich, auch für einen weniger erfahrenen Fahrer. BMW beweist einmal mehr, dass sie in der Lage sind ein lebhaftes Motorrad herzustellen, das auf einem historischen Modell basiert. Was mich davon abhält dieses Motorrad für mich selbst zu erwerben, ist der für meinen Körperbau abschreckende Sitz.
Ein anderer Punkt, der sich dem Erfolg der NineT Scrambler in den Weg stellen könnte, ist die Konkurrenz. Mit einer vergleichbaren Ausrüstung und einem klar tieferen Preis, könnte man in diesem Segment die Bonneville T120 erwerben. Obwohl ich die Gelegenheit hatte, beide Motorräder zu fahren, habe ich Mühe ein eindeutiges Urteil der Vor- und Nachteile beider Maschinen abzugeben, da die beiden Fahrten mehr als vier Monate auseinander liegen. Man sollte die beiden Motorräder auf jeden Fall ausprobieren, bevor man sich endgültig entscheidet.
Die R NineT Scrambler ist seit dem 17. September 2016 in ganz Europa lieferbar. Da BMW die Preise dem aktuellen Eurokurs anpasst, kann der Kaufpreis mittels einer Prämie etwas tiefer ausfallen. Ihr Motorradhändler wird sie sicher gerne über die Höhe der aktuellen Prämie informieren.