Auf einer langen verkehrsarmen Geraden entschliesse ich mich die Parameter im Fahren zu ändern. Im Sportmodus ist die Rückmeldung um einiges rasanter. Die Kraft des Motors meldet sich etwas brutaler, aber nicht unangenehm und vor allem ist sie nach wie vor kontrollierbar. Mein Eindruck ist, dass der Street Modus diesem Motorrad nicht gerecht wird. Mein Dreh am Gasgriff im dritten Gang, weckt die Bestie endgültig und verlangt nur losgelassen zu werden, immer noch kontrolliert von der sehr effektvollen Elektronik. Man spürt die brachiale Kraftentwicklung des stärksten V2-Motors, der auf dem Markt zur Verfügung steht. Mein Grinsen hinter dem Visier wird immer breiter und ich freue mich schon auf weitere, vielleicht noch extremere Beschleunigungen.
Der Stadtparcours gab mir auch die Gelegenheit, die ATIR-Funktion zu testen. ATIR? Schon wieder eine dieser unverständlichen Abkürzungen! Bei ATIR handelt es sich um die automatische Rückstellung des Blinkers, der nach 10 Sekunden und einer Distanz von 150m selbständig abschaltet. Eigentlich ganz einfach und logisch, aber ATIR verhindert, dass man während unzähligen Kilometern unbeabsichtigt blinkt und vielleicht sich selbst gefährdet.
Die Probefahrt für den ersten Tag lässt nur erahnen, was uns am folgenden Tag erwartet. Für den Moment wurde uns nur ein Appetithappen vorgesetzt. Um die verbleibende Zeit nicht ungenützt verstreichen zu lassen, spiele ich auf dem TFT Bildschirm herum. Wie schon erwähnt, findet man alle benötigten Angaben und alle ausgezeichnet lesbar. So bleibt zum Beispiel der Bildschirm grün so lange man unterhalb des Drehzahlbegrenzers ist. Sobald man in die Region der Begrenzung kommt, wechselt er auf rot.
Hingegen kann man sich sehr schnell in den verschiedenen Menüs verlieren, die zu den Untermenüs führen und.... Du verstehst sicher was ich damit sagen will. Wahrscheinlich benötigt jeder Fahrer einen zusätzlichen Lehrgang auf einer verkehrsfreien, einsamen Insel um das gesamte Menü zu verstehen und zu beherrschen.
Die erneuerte Federung muss unbedingt erwähnt werden. Diese Verbesserung gibt den Eindruck relativ elastisch zu sein, auf jeden Fall ist dies bei ruhigem Fahren im Stadtverkehr der Fall. Bei aggressiverer Fahrweise, kommt jedoch der pure sportliche Charakter zum Vorschein. Dazu gesellt sich das bewährte, unveränderte Fahrgestell, was als Ganzes ein Motorrad ergibt, mit dem man den Gasgriff ohne weitere Bedenken aufdrehen kann.
Schliesslich kommen wir zum sportlichen Teil der Testfahrt. Damit sich die Bestie voll zur Geltung bringen kann, wurden die Motorradschreiber von den Österreichern auf den Losail Rennkurs am Persischen Golf eingeladen.
Während dem Aufwärmen und Kennenlernen des Kurses, habe ich den Sportmodus eingestellt. Ich versuche die Grenzen dieses Modus auszuloten und komme zum Schluss, dass das Super Duke R wirklich „ready to race“ ist. Trotzdem bleibt ein kleines Fragezeichen: das Fahrverhalten ist bei weitem nicht so brutal wie es mir beschrieben worden ist!
Ich bin etwas enttäuscht von der Bodenhaftung. Die RaceTechRR Bereifung und der Grip des Asphalts erlauben die extremsten Schräglagen schon nach wenigen Runden. Wegen dem Fehlen von rückgesetzten Bedienungselementen, werden die Fussrasten und meine Stiefel vom Bodenbelag abgeschliffen. Das kann aber von keinem vorgegebenen Fahrmodus geändert werden. Um Abhilfe zu leisten, muss man gezwungener Massen über das Feld „Optionen“ und den Einbau der wunderschönen Teile, die im Katalog angeboten werden. Hingegen muss ich meine gestern gefasste Meinung über den Shifter ändern: bei höherem Fahrrhythmus legen sich die Gänge wunderbar ein, ob es rauf oder runter geht. Das Rucken beim Gangwechsel kann mit präzisem und rechtzeitigem Drücken der Gangschaltung vermieden werden. Der Fahrspass ist um so grösser, desto mehr man mit der Betriebsanleitung vertraut ist.
Zurück zu den ernsthaften Dingen und dem ultimativen Modus „Track“ und meiner Annäherung an die verschiedenen Möglichkeiten des MTC. Dabei betreten wir komplett neues Land. Bei jeder Drehung am Gasgriff, untermalt vom artentypischen, rauchigen Grollen des V-Twin Motors, werden meine Schultern nach hinten gezogen und in meinem Blickfeld erscheint das Blau des Himmels. Das Abheben des Vorderrades ist ganz normal. Die Belastung der Reifen bei den starken Beschleunigungen bei Schräglage aus den Kurven ist enorm. Das zur Verfügung stehende Drehmoment ist gigantisch. Bei der Kurvenausfahrt spürt man ein ganz leichtes Durchdrehen des Hinterrades, was aber sogleich mit Hilfe des MTCs korrigiert wird. Der Reifen wird wieder sanft auf den Asphalt gedrückt, womit die gesamte Kraftentwicklung wieder vollständig auf den Boden gebracht werden kann. Diese Kraft! Ja, ich habe es schon erwähnt, was für einen Drehmoment... es ist unvorstellbar. Beim Loslassen der Kupplung und im ersten Gang, hast du bereits 100 Nm zur Verfügung. Das gibt mir zu denken. Ich frage mich, ob sich das leichte Rutschen des Hinterrades mit der Abnützung der Reifen während des Tages, verstärken wird. Falls du dich mit diesem „Problem“ nicht auseinander setzten willst, musst du nur die MTC-Unterstützung erhöhen. Obwohl es mir bewusst war, dass die KTM keinen Windschutz hat, ist die Absenz wirklich spürbar. Bei fast 260 km/h auf der Geraden vor den Boxen, wurden meine Nackenmuskeln doch etwas in Mitleidenschaft gezogen und schmerzten noch nach einigen Tagen.
Die Elektronik dieses Motorrades ist berauschend. Sie erlaubt gewisse Manöver, die man ohne Hilfe nie wagen würde. Beim Beschleunigen aus der Kurve hilft das MTC den Vortrieb auf den Boden zu bringen. Bin ich aber in einer der Beschleunigungsphase in einer 30° Schräglage, richtet die Elektronik das Motorrad wieder auf. Ein absolut sensationelles Gefühl.
Als Höhepunkt des Testtages durften wir eine 1290 R Full Piste ausprobieren. Bei dieser Variante wurden die Stossdämpfer / Vordergabel durch Rennelemente ersetzt. Dazu gesellt sich ein Gesamtpaket von Akrapovic, damit sich die Bestie ihrem Ruf entsprechend ausdrücken kann. Ausserdem verschiedene Elemente aus dem vielfältigen Katalog, wie die rückversetzten Bedienungselement und die profillosen Dunlop KR Reifen. Auch die Bremsen erhielten mit den prächtigen, blütenförmigen Scheiben, eine Aufwertung. Der reinrassige Rennlook hat mich sofort gefesselt und als ich dann in die erste Kurve stach, hatte ich den Eindruck, dass der Lenker in meinen Helm rein will. Selbstverständlich ist diese Maschine nicht strassenzugelassen, was übrigens auch auf dem TFT-Bildschirm angezeigt wird, es war ganz einfach interessant, das Rennmodel mit der im Motorradgeschäft erhältlichen Version zu vergleichen. Es sind Abgründe, die sich dabei auftun.
Das Alltagsmodel ist viel komfortabler zu fahren, ist aber viel weniger präzise, sie schlingert, sei es beim Bremsen oder beim Wiederbeschleunigen. Der Vergleich bei der Strassenhaltung hinkt gewaltig, da die Bereifung nicht unterschiedlicher sein könnte. Sicher sind die RaceTech RR ausgezeichnete Reifen, aber die Dunlop KR sind Welten besser, allerdings auch nur für den Renngebrauch entwickelt und zu gebrauchen. Das Standardmodel ist sicher kein schlechtes Motorrad, bei weitem nicht, nur hätte man mir das Rennmodel nicht vorstellen dürfen.
Während unserem Testtag auf der Piste, konnten wir auf der (langen) Geraden, immer zu zweit, das Startprozedere üben. Nicht nur zu unserem Spass, nein, es ging um die „Launchcontrol“, die im optionalen Modus „Track“ eingebaut ist. Das ganze war sehr eindrücklich: Man dreht den Gasgriff, der Rest wird von der Elektronik übernommen. Es bleibt nur noch das richtige Betätigen der Kupplung. Das System blockiert automatisch bei 6'500 U/Min. Welche Effizienz!
Trotz der Beschneidung durch die Euro4-Norm, hat KTM für diese dämonische Maschine den Spassfaktor sehr hoch gehalten. Spass am Fahren, eine Geschmeidigkeit und ungeheurere Kraftentwicklung, die bei jedem Impuls am Gasgriff, die Arme um einige Zentimeter verlängert. Alles wird einem geboten, oder fast alles. Bei einem Preis von CHF 18'500 dürfte man erwarten, dass ein Shifter serienmässig eingebaut ist, dass der spielerische Track Modus nicht nur über die Optionen erhältlich ist. Die spezielle Ausstrahlung der 1290 Super Duke R lässt keinen Motorradfanatiker kalt. Ob man dafür ist oder dagegen, günstig oder teuer, ist doch eigentlich egal.
Hauptsache man hat Spass an diesem Motorrad und es ist eher unwahrscheinlich, nicht von dieser sensationellen Maschine gefesselt zu werden.
Schlussendlich hat mich dieses Biest nicht mit Haut und Haaren verspeist, hingegen hat sie mich rot, nein eher orange, gebrandmarkt, was eigentlich auf das Gleiche herauskommt.