Um die 5000 U/Min. beginnt der Testastretta Motor zu singen und steigert sich bei 7000 U/Min. zum Brüllen. Die 113 PS der 937 cm3 reichen bei weitem um auf solchen Strecken Spass zu haben. Aber Vorsicht: vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzungen sind sehr schnell überschritten. Die Grundeinstellung der Federung ist auf Komfort gestellt, was sich aber mit zwei Schraubenzieher-Umdrehungen, wie in der Betriebsanleitung beschrieben, verändern lässt. Die Umstellung gibt der Gabel ein sportlicheres, aggressiveres Fahrverhalten, das präzisere Lenkmanöver erlaubt.
Je höher wir steigen, desto mehr Kurven kommen auf uns zu. Um nicht den Anschluss an die Gruppe zu verlieren muss die Fahrspur gut gewählt sein, schnell von einer Schräglage in die andere gewechselt werden und vor allem bei der Kurvenausfahrt sehr rasant beschleunigen. Trotz den vormontierten Seitenkoffern aus Kunststoff, ist das Gewicht der Maschine gut austariert und sie lässt sich mit Leichtigkeit in die Schräglage (und wieder heraus) bringen. Ohne Koffer ist sie noch agiler, ein richtiges Präzisionsinstrument für ideale Kurvenschnitte.
Mit diesem Motorrad kommt man sehr nahe ans Perfekte heran. Trotzdem habe ich einen Vorbehalt bei der Bremse am Vorderrad, die ganz einfach nicht genügend beisst. Ausserdem scheint mir der Hebelweg zu lang zu sein. Es geht eine Ewigkeit bis die Bremsreaktion einsetzt. Schliesslich habe ich nicht den Eindruck wirklich abgebremst zu werden. Nachdem ich den Bremshebel neu eingestellt habe, scheint mir die Rückmeldung etwas besser zu sein, wobei sie immer noch nicht überzeugt. Die Hinterradbremse ist überzeugender. Sie hat Bremsbacken mit zwei Kolben und einer riesigen Bremsscheibe. Beim täglichen Gebrauch und im Gelände wird man sich mehr auf sie abstützen müssen.
Selbstverständlich ist die Multistrada 950 fürs Gelände geeignet, nur sollte man dazu andere Reifen (Scorpion Rallye) montieren und eventuell das Drahtspeichenrad der Enduro wählen, das mit dem Schwingarm kompatibel ist. Die Fahrauslegung Enduro reduziert die Antriebskontrolle und das ABS erlaubt das Blockieren des Hinterrades, ein zusätzlicher Trumpf der Vielseitigkeit dieses Motorrades. Eine Geländefahrt mit einem Fahrzeug, das Fahrbereit 230 kg wiegt, ist hingegen für einen Anfänger nicht zu empfehlen.
Ja genau, das Gewicht! Beim Fahren stellt es kein Hindernis dar. Hingegen benötigt es einen gewissen Kraftaufwand das Motorrad vom Seitenständer zu nehmen, geschweige denn vom Mittelständer, der im Touring-Paket angeboten wird. Leicht ist die Maschine wirklich nicht.
Mit den angekündigten CHF 15'000 reiht sich die kleine Reisemaschine von Ducati sehr gut in ein Marktsegment ein, das in der Schweiz nach wie vor, den Wind im Rücken spürt. Der Vergleich mit einer Honda Africa Twin ist nicht weit hergeholt, wobei die Ducati mit dem italienischen Flair und dem reizvollen Aussehen punkten dürfte. Gefährlich werden könnte ihr die MV Agusta Turismo Veloce, die mit den gleichen Argumenten aufwartet.
Mit den vier verschiedenen Ausrüstungspaketen des Ducati Kataloges hat es sicher eine Multistrada, die deiner Vorliebe entspricht. Zusätzliche Ausrüstungen, ob Touring oder Enduro, kann nach Belieben deiner 950 beigefügt werden. Das abgebildete Modell hatte für die Gelegenheit übrigens die Kühlerabdeckungen aus Aluminium.
Ein Fahrwerk der Spitzenklasse, ein Motor der aus dem Vollen schöpfen kann und ein Look, der mir von Anfang an gefallen hat, punktet die Multistrada 950 auf der ganzen Linie. Nur bei der Bremsanlage sehe ich noch Verbesserungsmöglichkeiten.